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Ein Bundespolizist zeigt sichergestellte Messer.

© dpa/Daniel Bockwoldt

Verbotszonen, Führerscheinentzug, neue Sondereinheit: Berlin verschärft den Kampf gegen zunehmende Messergewalt

Innensenatorin Iris Spranger hat eine neue Strategie erarbeiten lassen. Eine Einheit der Polizei bündelt die Informationen zu Messertaten nun – um besser zu reagieren.

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Mit einer neuen Strategie will Innensenatorin Iris Spranger (SPD) die zunehmende Messergewalt in Berlin bekämpfen. Künftig soll rechtskräftig verurteilten, besonders auffälligen Straftätern verstärkt die Fahrerlaubnis entzogen werden. Zudem soll der Senat noch in diesem Jahr mindestens zwei Messerverbotszonen per Verordnung beschließen.

Betroffen sind zwei Kriminalitätshotspots. Im Görlitzer Park, im Kiez drumherum bis zum Schlesischen Tor sowie am Kottbusser Tor in Kreuzberg wird es künftig verboten sein, Messer mit sich zu führen. Daneben prüft die Innenverwaltung, ob auch am Leopoldplatz in Wedding mit seiner wachsenden Drogenszene eine Messerverbotszone errichtet wird. Bei Verstößen drohen nach dem Waffengesetz saftige Bußgelder bis zu 10.000 Euro.

Berlin Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will härter gegen Messergewalt vorgehen.

© Hannes P. Albert/dpa

Erst Ende Oktober ist eine Verschärfung des Waffengesetzes in Kraft getreten. Für öffentliche Veranstaltungen, Märkte, Volksfeste, Messen, Sportevents sowie in Bussen und Bahnen gilt nun ein absolutes Messerverbot. Dank dieser Novelle auf Bundesebene kann Berlin die Verbotszonen in Kreuzberg jetzt leichter einführen. Damit muss die schwarz-rote Koalition die Maßnahme nicht über eine Anpassung des Berliner Sicherheitsgesetzes regeln.

Eine neue Sondereinheit beim Landeskriminalamt

Daneben wird Anfang Januar eine neue Sondereinheit beim Landeskriminalamt ihre Arbeit aufnehmen. Sie soll alle Messertaten erfassen und gebündelt auswerten. Damit führt die Polizei ein systematisches Monitoring zur Messerkriminalität ein, um schnell auf Veränderungen – Hotspots, neue auffällige Täter – reagieren zu können.

Spranger folgt einer Empfehlung einer von ihr einberufenen Kommission von Experten aus ihrem Ressort und von der Polizei. Seit September haben sie an der neuen Strategie gearbeitet. Dabei habe es keine Denkverbote gegeben, hieß es. Das Ergebnis sei kein schlichter Fünf-Punkte-Plan. Ziel sei eine Strategie gewesen, die anhand der Kriminalität, der Fallzahlen und der Tatumstände weiterentwickelt werden kann.

„Fakt ist, dass bundesweit und in Berlin Angriffe mit Messern im öffentlichen Raum zugenommen haben“, sagte Spranger. Laut Kriminalstatistik sind 2023 in Berlin knapp 3500 Messerangriffe registriert worden. „Das sind fünf Prozent mehr als 2022 mit 3317 Fällen“, sagte Spranger.

Polizei plant Lagebild zu Messertaten

Mit den Daten aus dem Monitoring sollen besonders aggressive und gefährliche Täter künftig schneller und frühzeitiger identifiziert werden, die bei Straftaten andere mit dem Messer bedrohen oder sogar zustechen. Bislang waren durchaus verschiedene Stellen bei der Polizei mit einzelnen Tätern befasst, je nach Tatort die Kriminalpolizei in verschiedenen der fünf örtlichen Direktionen. Die neue Koordinierungsstelle soll die Erkenntnisse zu Messergewalt nun bündeln.

Dazu wird im internen Datensystem Poliks ein neuer Marker eingeführt. Wer bei einer Straftat ein Messer eingesetzt hat, bei dem wird das im System künftig eigens erfasst. Die Koordinierungsstelle kann dann schneller erkennen, wenn es nicht nur ein Einzelfall war, sondern Täter sich gefährlich entwickeln, um dann früher sogenannte täterorientierte Maßnahmen anzukurbeln.

Eine erste Auswertung der Zahlen durch die Expertenkommission ergab, dass elf Verdächtige in den beiden vergangenen Jahren sechs oder mehr Messertaten begangen haben. Generell soll es neben der normalen Kriminalstatistik der Polizei eine Sonderauswertung allein zu Tatverdächtigen und mit Messern begangenen Rohheitsdelikten geben.

Ein deutliches Signal an potenzielle Täter, dass der Rechtsstaat entschieden gegen Messerangriffe vorgeht.

Iris Spranger (SPD), Innensenatorin.

Aufgabe der Sondereinheit wird es auch sein, Täter längerfristig zu beobachten. Bei der Staatsanwaltschaft soll sie für gefährliche Gewalttäter anregen, dass die Gerichte bei Strafurteilen gegen sie zugleich ein Waffentrageverbot verhängen.

Bei verurteilten Messertätern mit hohem Aggressionspotenzial oder gefährlichen Gewalttätern soll die Einheit das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) einschalten. Dort wird geprüft, ob den Tätern die Fahrerlaubnis für bis zu fünf Jahre entzogen werden kann. „Dies würde ein deutliches Signal an potenzielle Täter senden, dass der Rechtsstaat entschieden gegen Messerangriffe vorgeht“, sagte Spranger.

Gewerkschaft skeptisch bei Verbotszonen

Die Devise der Innenverwaltung: Wer sich im Alltag aggressiv verhält und schwere Gewalttaten verübt, der sei auch im Straßenverkehr eine Gefahr für andere und daher nicht geeignet, ein Auto fahren zu dürfen. Betroffene müssen sich dann einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU), bekannt als Idiotentest, unterziehen. Das sei keine zweite Bestrafung, sondern eine Maßnahme zum Schutz der Allgemeinheit, sagte ein Senatsbeamter.

Daneben will die Innenverwaltung die Zusammenarbeit mit anderen Ressorts im Kampf gegen Messergewalt verstärken. Darunter ist etwa die Bildungsverwaltung, um in Schulen und Jugendeinrichtungen die Aufklärungsarbeit zu verbessern. Auch die Sozialverwaltung ist im Boot. Denn für Flüchtlinge soll in den Unterkünften eine Präventionskampagne gestartet werden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte sich skeptisch. Messerverbotszonen seien „unglaublich personalintensiv“, sagte GdP-Landeschef Stephan Weh. „Wenn wir uns nur mal die Fälle der letzten Monate ansehen, haben wir viele rote Punkte, die sich über die ganze Stadt verteilen und eben nicht nur am Leo, Kotti und Görli“, sagte er. „Wir brauchen ein generelles Trageverbot in der Öffentlichkeit, denn Messer machen Mörder.“

Prinzipiell lobt GdP das Vorgehen der Innensenatorin. „Die Polizei Berlin versucht, als lernende Organisation Wege zu finden, um eine wachsende Problematik in den Griff zu bekommen, ohne dass sich der Gesetzesrahmen signifikant verbessert hat“, sagte Weh. „Wir freuen uns, dass unsere Vorschläge zum Führerscheinentzug und zur behördenübergreifenden Prävention übernommen wurden.“

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