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Berlin: Verfahrene Situation

Die Gemeinde sucht einen Ausweg aus der Krise. Es droht die Spaltung

Die Vorgänge in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin beunruhigen Mitglieder jüdischer Gemeinden in ganz Deutschland. „Was hier los ist, hat Signalwirkung und schadet dem Ansehen der jüdischen Gemeinschaft allgemein“, sagt Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die Berliner Gemeinde sei nicht nur die größte, sondern auch diejenige, die immer für ein funktionierendes Zusammenleben unterschiedlicher Strömungen gestanden habe: ein Vorbild für die Einheitsgemeinden. Nachdem Albert Meyer, der Vorsitzende der Berliner Gemeinde, am Mittwochabend zurückgetreten ist, hätten gestern viele Juden aus der ganzen Bundesrepublik bei ihm angerufen und ihre Sorge um die Zukunft der jüdischen Gemeinschaft insgesamt ausgedrückt, sagt Kramer. Viele würden den Weggang Meyers bedauern. „Es ist kein Ruhmesblatt mehr, ein Jude in dieser Stadt zu sein“, sagt Kramer angesichts der „niveaulosen Auseinandersetzungen“ in der Berliner Gemeinde. Er selbst ist hier Mitglied.

Für Kramer wie für viele andere in der Berliner Gemeinde, Alteingesessene wie russische Zuwanderer, steht fest: „So kann es nicht weitergehen, es muss Neuwahlen geben.“ Damit sich das Gemeindeparlament auflösen und den Weg zu Neuwahlen frei machen kann, müssen mindestens zwei Drittel der 21 Gemeindeparlamentarier zustimmen. Am Mittwochabend haben neun ihre Unterschrift unter den Auflösungsantrag gesetzt. Im Vorstand seien kaum noch Personen vertreten, die vor zwei Jahren dort hineingewählt wurden, sagt Parlamentsmitglied Benno Bleiberg, der den Antrag initiiert hatte. Weder die kontinuierliche Führung der Gemeinde, noch eine Kontrolle seien mehr möglich, weshalb es Neuwahlen geben müsse. Bleiberg fürchtet allerdings, dass er nicht genügend Stimmen zusammenbekommt. Gideon Joffe, Meyers designierter Nachfolger, hält nichts von Neuwahlen. Er ist zuversichtlich, dass er Ruhe in die Gemeinde bringen kann.

Auch die Gemeindemitglieder könnten mit 2000 Stimmen die Auflösung erzwingen. Es gebe solche Überlegungen, sagt Kramer. Zur Not wolle er selbst mit dem Sammeln von Stimmen beginnen. Er ist auch bereit, bei der Wahl zu kandidieren, um die Gemeinde zu konsolidieren und die inhaltliche Arbeit fortzusetzen“.

Wenn auf keinem Wege die nötigen Stimmen für die Parlamentsauflösung zusammenkämen, fürchten Kramer und andere, dass ganze Gruppen aus der Gemeinde austreten und sich mit Vereinen selbstständig machen oder sich um die bestehenden Synagogen scharen könnten. Für Parlamentsmitglied Jael Botsch-Fitterling wäre das eine Katastrophe. „Nur wenn wir mit einer Stimme sprechen, sind wir als jüdische Gemeinschaft stark“, sagt sie.

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