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© dpa-Zentralbild

Wartungschaos: Schwierigkeiten bei Aufklärung des S-Bahn-Desasters

Die Bahn beklagt beim S-Bahn-Wartungschaos das Verhalten der Industrie. Dabei verzichtet auch sie auf kurze Informationswege im Konzern.

Der Bahnvorstand ist mit den Ermittlungen zu den Ursachen, die zum Desaster bei der S-Bahn in Berlin geführt haben, noch nicht viel weiter gekommen. Die vor fast zwei Wochen angekündigten Befragungen von Vorgesetzten und Mitarbeitern haben nach Angaben eines Sprechers noch nicht begonnen, und auch die Industrie sei weiter nicht sehr hilfreich. Personenvorstand Ulrich Homburg hat bereits mehrfach die „beschränkte Auskunftsbereitschaft“ beklagt.

Dabei verzichten die Ermittler auf kurze Wege innerhalb des Konzerns. Der ehemalige Geschäftsführer und immer noch Gesellschafter des Herstellers der maroden Räder sitzt, wie berichtet, im Aufsichtsrat des Bahnkonzerns. Und zwar seit Juli 2005 und nicht erst, wie die Bahn zunächst mitgeteilt hatte, seit Dezember 2008. Zum Aufsichtsrat gehören zwei Mitglieder mit dem Namen Großmann: Achim Großmann, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, und Jürgen Großmann, Vorstandschef bei dem Energiekonzern RWE. Hier habe man die Personen verwechselt, sagte der Bahnsprecher.

Jürgen Großmann war noch Geschäftsführer des Stahlunternehmens Georgsmarienhütte, zu dem auch der Radhersteller Rafil aus Ilsenburg im Harz gehört, als er im Sommer 2005 Aufsichtsratsmitglied bei der Bahn wurde. Ein Schreiben von Rafil, das auf die Probleme bei den S-Bahn-Rädern hinwies, soll nach Tagesspiegel-Informationen bereits im Frühjahr an die Bahn geschickt worden sein. Darin hatte Rafil laut einem „Spiegel“-Bericht darauf hingewiesen, dass die in den 90er Jahren entwickelten Räder für die Baureihe 481 der Berliner S-Bahn nicht mehr die inzwischen geänderten Normen erfüllten. Von neuen aufwändigen Prüfverfahren soll Rafil abgeraten haben. Die Bahn hatte dann auch darauf verzichtet, die Räder weiter bestellt und Großmann in den Aufsichtsrat berufen.

Angaben zu diesem Schreiben will die Bahn derzeit nicht machen. Zwischenstände der Ermittlungen wolle man nicht bekannt geben, sagte ein Sprecher. Auch mit Großmann wolle man nicht reden. Ansprechpartner für die Bahn sei weiter das Unternehmen Bombardier, das beim Bau der Züge federführend war. Dass der Eigentümer eines Lieferanten der Bahn im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt, ist im Übrigen für die Bahn kein Problem. Jürgen Großmann habe unmittelbar nach seinem Eintritt in den Aufsichtsrat seine damaligen Liefer- und Leistungsbeziehungen „im Detail“ offengelegt, sagte der Bahnsprecher. Zudem würden sie regelmäßig im Geschäftsbericht der Bahn veröffentlicht. Sollte es Konfliktfälle geben, habe Großmann zugesichert, sich der Stimme zu enthalten.

Kritiker dagegen verweisen darauf, dass ein Aufsichtsrat Informationen aus dem Unternehmen erhalte, die Außenstehenden nicht zugänglich seien. So gebe es häufig einen Informationsvorsprung, den man nutzen könne. Auch um sich besser als die Konkurrenz auf eine Ausschreibung vorbereiten zu können.

Unabhängig von der Bahn laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf einen gefährlichen Eingriff in den Schienenverkehr gegen die geschassten Geschäftsführer weiter. Dabei geht es um die maroden Räder und die nicht ausgeführten Wartungen bei den Bremsanlagen. Sollten Verantwortliche hier Vorschriften verletzt haben, müssen sie mit einem Strafverfahren rechnen.

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