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Berlin: Vier Zukunftsfragen an das Parlament

Schloss, Flughafen, Schulden und Integration: Das Abgeordnetenhaus debattiert über Berlins wichtigste Themen Der Regierende Bürgermeister verteidigt Kompromiss zur Finanzierung des Schloss-Neubaus und hält Schließung des Flughafens Tempelhof für unverzichtbar

WIEDERAUFBAU STADTSCHLOSS

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte nur lobende Worte. „Unter dem Strich: Ein großer Erfolg und ein großes Dankeschön an die Bundesregierung, dass sie das ermöglicht hat“, sagte er über den Kompromiss zum Schlossbau. Er verteidigte die Beteiligung Berlins mit 32 Millionen Euro an den Baukosten und der Flächennutzung im geplanten Stadtschloss gegen Kritik der Grünen als „vertretbar und ein fairer Kompromiss“. Berlin habe die ursprünglich geplanten 12 000 Quadratmeter Nutzfläche im so genannten Humboldt-Forum „nicht leichtfertig“ aufgegeben, sagte Wowereit im Abgeordnetenhaus. Berlin könne angesichts seines Schuldenbergs die dafür erforderlichen 160 Millionen Euro aber nicht zahlen. Zudem habe der Bund auf einer finanziellen Beteiligung Berlins über das Grundstück hinaus bestanden. Wowereit sagte, dass auch nach dem ursprünglichen Nutzungskonzept niemals die zentrale Landesbibliothek insgesamt in das Forum hätte ziehen können.

Grüne, FDP und CDU fordern ein Finanzierungs- und Nutzungskonzept. Die für Berlin vorgesehene Fläche sei zu wenig für das früher geplante integrative Konzept mit Dahlemer Museen, Zentral- und Landesbibliothek und den wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt- Universität, sagten die Kulturpolitiker Michael Braun (CDU) und Alice Ströver (Grüne).

Steffen Kampeter (CDU), Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestags, hatte zuvor den Zuschuss des Landes in Höhe von 32 Millionen Euro für die auf 480 Millionen Euro geschätzten Schloss- Baukosten als „nicht ausreichend“ bezeichnet. Von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) vermisse er auch einen Finanzierungsplan. Es sei „nicht nachvollziehbar“, warum sich die Kosten für den Wiederaufbau des Schlosses von ursprünglich einer Milliarde Euro auf 750 Millionen Euro und jetzt auf 480 Millionen Euro reduzierten, sagte er dem Tagesspiegel. Kampeter forderte das Land auf, eine „Prioritätenliste" zu erstellen, welche Nutzungen es für das Humboldt-Forum favorisieren wolle.

Überrascht hat gestern das Bundesbauministerium auf die Kritik reagiert. Ein Sprecher betonte, es habe „im Vorfeld Absprachen auf allen Ebenen“ gegeben und Einigkeit bestanden, die Bundestagsbeschlüsse zum Aufbau des Humboldt-Forums umzusetzen. Mit der Zusage Berlins, sich an den Kosten zu beteiligen, sei „die Kuh vom Eis“. Allerdings seien auch noch viele Fragen zu klären. In den erwarteten Baukosten von 480 Millionen Euro sei der Kuppelaufbau „definitiv enthalten“. Das werde zu den Vorgaben des internationalen Architekturwettbewerbs gehören.C.v.l./sib

ZUKUNFT FLUGHAFEN TEMPELHOF

Die Koalition bleibt dabei: Der Flughafen Tempelhof soll 2008 geschlossen werden. Das bekräftigten SPD-Fraktionschef Michael Müller und PDS-Fraktionschefin Carola Bluhm in der Aktuellen Stunde des Abgeordnetenhauses, in der es um die Zukunft Tempelhofs ging. Daran ändere das neue Gutachten nichts, das Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Dienstag veröffentlicht hat. Der Regierende Bürgermeister verteidigte den Kurs: „Es wäre doch Wahnsinn, jetzt das Planungsrecht zu ändern“, sagte Klaus Wowereit. Und weiter: „Anschließend sagen wir den Bürgern: April, April, wir haben euch getäuscht. Wir wollen Tempelhof und Tegel offen halten.“ An die Adresse von CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger fragte er: „Was ist das für ein Rechtsverständnis, sind wir in einer Bananenrepublik?“

„Niemand will BBI gefährden“, erwiderte Pflüger. Er hielt Müller entgegen, man könne das Restrisiko beim Bundesverwaltungsgericht prüfen lassen. An Wowereit gerichtet sagte er: „Sie dürfen nicht und sollten nicht in einer solchen Debatte andere als Klippschüler bezeichnen oder von einer Bananenrepublik sprechen. Das ist ein Stil, den wir nicht einreißen lassen sollten.“ Auch die CDU wolle selbstverständlich BBI. Doch gebe es keinen Grund, etwa die von amerikanischen Geschäftsleuten angebotene Investition von 350 Millionen Euro in den Flughafen Tempelhof bei dessen Offenhaltung für Geschäftsflieger einfach abzulehnen. wvb.

STREIT UM BERLINS ENTSCHULDUNG

Scharfe Debatten sind im Abgeordnetenhaus selten geworden. Geht es aber um den Vorwurf, gelogen zu haben, kommt es schnell zu einem Schlagabtausch – gleich zu Beginn der Plenarsitzung. FDP-Fraktionschef Martin Lindner warf, wie berichtet, dem Regierenden Bürgermeister vor, dass er über Senatssprecher Michael Donnermeyer „lügen lässt“. Es geht um die Äußerungen Wowereits auf der konstituierenden Sitzung der Föderalismuskommission II über einen nationalen Entschuldungspakt. Lindner sagte, Wowereit habe das Thema lediglich gestreift, während Wowereit laut Sitzungsprotokoll dazu Position bezogen hat. Lindners Äußerung bezeichnete Wowereit gestern als „infame Behauptung“ und „Unverschämtheit“. Im Hintergrund aber steht die seit Wochen geäußerte Kritik der Opposition, Wowereit habe zu Vorschlägen des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU), Berlin einen Teil der Schulden zu erlassen, bis jetzt nichts gesagt. Wowereit erklärte, die Debatte über einen nationalen Entschuldungspakt werde im Rahmen der Föderalismusreform geführt. Es würden sich nicht nur Oettinger, sondern auch andere zu Berliner Themen äußern. Da könne man „nicht im Ernst erwarten, dass der Senat immer dazu Krisensitzungen macht“. Die Opposition blieb bei ihrer Kritik. Lindner forderte gestern Abend erneut in der Debatte eine Erklärung Wowereits , welche Voraussetzungen er für eine Entschuldung wolle. Und erstmals seit langem äußerte sich Wowereit inhaltlich über die Berliner Position in der Föderalismuskommission. Zunächst warte man auf die Anhörung der Sachverständigen im Juni. Eines sei aber klar: „Wir werden uns einen Entschuldungspakt nicht damit abkaufen lassen, dass der Länderfinanzausgleich aufgegeben wird.“ Auch die Einführung eigener Hebesätze der Länder auf Einkommen- und Körperschaftssteuer werde Berlin nicht unterstützen. Darin sei sich Rot-Rot einig. Der FDP-Antrag, eine Regierungserklärung zum Thema Entschuldung abzugeben, wurde mehrheitlich abgelehnt. sib

INTEGRATIONSKURSE FALLEN DURCH

Nur jeder zweite Migrant, der an den 2005 eingeführten Integrationskursen teilnahm, erlangte bei den Abschlussprüfungen im vergangenen Jahr das „Zertifikat Deutsch B1“. Dies teilte der Senat auf eine Anfrage der migrationspolitischen Sprecherin der Grünen Bilkay Öney mit. Öney zufolge brechen viele Teilnehmer den Kurs ab. Oft handele es sich dabei um Frauen, die im Rahmen der Familienzusammenführung aus der Türkei oder Osteuropa kommen. Diese begründeten den Abbruch oft damit, dass ihre Kinder während der Kursdauer ohne Aufsicht seien. Öney kritisiert Mängel bei der Auswahl der Kursträger und der Qualität des Unterrichts. Dieser besteht aus 600 Stunden Deutsch und 60 Stunden Politik, Geschichte und Rechtskunde.

Die Kritik weist die Sprecherin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Claudia Möbus, zurück. Ihr zufolge wurden alle 108 Träger in Berlin ebenso wie deren Kurse geprüft, bevor sie eine Zulassung erhielten. Etwa die Hälfte aller Kurse führen Volkshochschulen durch. In Treptow-Köpenick machen zwei Drittel der Teilnehmer die Abschlussprüfung, so Bereichsleiterin Kerstin Rehmer. Die anderen scheiterten häufig am Bildungsgrad: Viele Migranten hätten nur vier Jahre Grundschule hinter sich und beschränkten sich darauf, ihre gesetzliche Verpflichtung zur Absolvierung des Kurses nachzukommen. Das Zuwanderungsgesetz schreibt keine Teilnahme an der Abschlussprüfung vor.ball

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