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Frühjahrsputz. Die Schausteller bereiten sich derzeit auf die neue Saison vor. In Berlin wird heute der erste Rummel eröffnet. Foto: David Hecker / ddp

© ddp

Volksfeste: Der Rummel hat es schwer in Berlin

An diesem Freitag startet die Volksfestsaison – mit dem neuen Spandauer Rummel „Emotion pur!“. Die Schausteller beklagen zu viele Auflagen. Immerhin gibt es Hoffnung fürs Deutsch-Amerikanische Volksfest.

In der Frühlingsluft der Geruch von Bratwurst, überall bunt blinkende Lichter. Vom Autoscooter dröhnt Musik herüber, aus der Geisterbahn kreischt es. Im Bierzelt werden Maßkrüge gestemmt, Reste von Zuckerwatte hängen an den Nasen der Besucher. Kurz: An diesem Freitag startet die Volksfest-Saison – und gleich mit einer Neuheit: Erstmals gibt es in Spandau „Emotion pur!“.

Hinter dem so betitelten Rummel auf dem Festgelände am Brunsbütteler Damm neben den Spandau Arcaden steckt ein alter Bekannter: Thilo-Harry Wollenschlaeger, bis vor kurzem Chef des Berliner Schaustellerverbands. Er verspricht „so viele Attraktionen wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr“, darunter eine Achterbahn, eine dreistöckige GoKart-Bahn und „Top Spin“, eine zwischen zwei Stahlarmen befestigte rotierende Gondel, aus der schon mancher Fahrgast mit bleichem Gesicht ausgestiegen ist. Für seine Fest führt Wollenschlaeger eigens eine Währung ein: Im Tausch gegen zehn Euro gibt es zwölf Event-Euros, mit denen Würste gekauft und Karusselltickets bezahlt werden können.

Die Schausteller müssen sich anstrengen, damit die Gäste kommen. Mit steigenden Lebenshaltungskosten wird weniger Geld für kandierte Äpfel, Karussells und am Schießstand ausgegeben, das beobachten Wollenschlaeger und Kollegen seit Jahren. Viele Schausteller von außerhalb hätten Berlin aus der Reiseroute gestrichen – wegen zu hoher Gebühren und vieler Auflagen sei die Stadt für sie nicht rentabel. Dabei sind die Berliner auf die Geisterbahn aus Hamburg und die Achterbahn aus Hannover angewiesen. „Hier kann es sich keiner leisten, selbst ein neues Fahrgeschäft bauen zu lassen“, sagt Wollenschlaeger.

Deshalb wird das Rahmenprogramm der Volksfeste vergrößert. Beim Frühlingsfest im April finden erstmals ein Kindertrödelmarkt und ein Tag für Radfahrer statt, die Neuköllner Maientage bekommen zusätzlich zum türkisch-deutschen ein arabisch-deutsches Freundschaftsfest, und auf der Steglitzer Festwoche wird zum zweiten Mal der beste Kleinkünstler gesucht.

Wollenschlager fühlt sich vom Land im Stich gelassen: Immerzu würden die Auflagen verschärft und den Schaustellern werde verboten, vors Rote Rathaus, an den Hauptbahnhof oder auf den Alexanderplatz zu ziehen. Auch aufs Tempelhofer Feld dürfen sie nicht. Und der Stammplatz für gleich mehrere Volksfeste – der Zentrale Festplatz am Kurt-Schumacher-Damm, wo Anfang April erstmals seit drei Jahren wieder das Frühlingsfest beginnt – liegt weit entfernt von den Touristenströmen. „Alle außer uns dürfen in die Innenstadt“, sagt Wollenschlaegers Nachfolger beim Schaustellerverband, Michael Roden. „Manchmal fühlen wir uns nicht gewollt in Berlin.“

Die meisten Berliner Volksfeste sind relativ jung: Die Neuköllner Maientage werden 46, das Oktoberfest 61. Am längsten gibt es das Tegeler Schollenfest, das in diesem Jahr zum 105. Mal stattfindet und 1902 als Erntedankfest der Baugenossenschaft „Freie Scholle“ begann. Traditionen aufrechtzuerhalten sei schwer in Berlin, sagt Roden, die Leute hätten keine Beziehung zu den Festen. Das Wiederbeleben des Stralauers Fischzuges, zu dem in im 19. Jahrhundert bis zu 70 000 Besucher kamen, scheiterte.

Trotzdem seien Volksfeste noch zeitgemäß, sagt Roden. Das Lachen der Kinder im Karussell, die laute Musik, die Zuckerwatte – „wo gibt es das heutzutage noch?“ Die meisten Gäste kommen zum Deutsch-Französischen Volksfest, an einem guten Tag sind es 15 000. Vor dem Mauerfall seien 40 000 auf den Rummel gekommen, sagt Roden. Dann gab es durch die neuen Freizeitmöglichkeiten im Umland weniger Besucher, später durch die steigenden Lebenshaltungskosten.

Ein anderer Traditionsrummel kämpft gerade um sein Überleben: Das Deutsch-Amerikanische Volksfest musste weg vom Gelände an der Zehlendorfer Clayallee, weil dort ein Wohnviertel entsteht. Eine Ersatzfläche gibt es noch immer nicht, doch Veranstalter Richard Simmons sagt: „Das Fest findet statt – unklar ist nur, wo.“ Im Westteil der Stadt werde es sein, vom 28. Juli bis 14. August und unter dem Motto „Entdecke Amerika“.

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