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Bei Fuß! Die Rötliche Saugbarbe ist ein Schwarmfisch mit besonderem Geschmack: Sie eignet sich zur Fußpflege am Menschen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Pediküre im Fish-Spa: Vom Arbeitsalltag eines Fisches

Beim Fish-Spa übernehmen kleine Barben das Entfernen von Hornhaut und toten Hautzellen. Klingt wie eine kitzelige Angelegenheit, und das ist es auch. Hier schildert einer der Fische seinen Arbeitsalltag.

Von Julia Prosinger

Ich arbeite in einem großen Berliner Unternehmen als einer von 480 Angestellten. Unser Beruf: Wir essen Hornhaut. In meiner Abteilung, einem Wasserbecken von 180 Litern, arbeiten noch 59 andere Saugbarben, Garra Rufa. Wir haben rötliche Schwanzflossen, sind etwa drei Zentimeter lang und ausgebildete Pediküristen.

Meine Vorfahren stammen aus der Türkei, aus dem Kangal-Gebiet. Dort gibt es viele Thermalquellen. Die sind so warm, bis 35 Grad, dass kaum Pflanzen darin wachsen. Um zu überleben, haben wir gelernt, auf Menschen zuzuschwimmen und ihre aufgeweichten Hautzellen abzuknabbern. Solche Symbiosen kennt man aus der Tierwelt. Haie tragen Putzerfische durch die Ozeane, die sie dafür von Parasiten befreien, Blattschneideameisen kultivieren Pilze in ihrem Bau. Meine türkischen Vorfahren haben sich den Bauch mit menschlichen Schuppen vollgeschlagen und im Ausgleich Hautprobleme behandelt.

Vorher gab es noch Streit mit dem Veterinäramt

Ich selbst komme aus einer Zucht in Tempelhof. Meine Chefin, Vanessa Hopf, 29, hat mich dort für zwei Euro gekauft. Sie hat 2011 die erste Berliner Fisch-Pediküre eröffnet: „Fußfetifisch“ in der Danziger Straße. Die Idee hat sie aus ihrer Studienzeit in England mitgebracht. 30 Minuten Pediküre kosten 15 Euro. Danach sind die Füße weich wie Samt.

Zuerst hat das Veterinäramt Pankow unser Unternehmen verboten, aus Tierschutzgründen. Dabei haben wir ein gutes Betriebsklima, gelbes Licht und angenehm warmes Wasser, konstante 32 Grad. Drei Monate stritt die Chefin mit dem Amt. In der Zwischenzeit eröffneten in immer mehr deutschen Städten solche Firmen, eine in Charlottenburg. Da durften wir doch aufmachen.

Bevor ich mit der Arbeit beginne, füllen unsere Kunden einen Zettel aus. Wenn sie Nagelpilz oder offene Wunden haben, muss meine Chefin sie wegschicken. Obwohl wir auch Krankheiten heilen können – wie man sagt. Manche nennen uns Doktorfische. In bestimmten Kliniken versucht man mit uns Schuppenflechte zu heilen.

Diese Rötlichen Saugbarben stammen aus einer Zucht in Tempelhof.

© Kitty Kleist-Heinrich

Schon in der Antike haben Menschen Blutegel mit ihrem entzündungshemmenden Speichel eingesetzt. Auch heute schwören manche Mediziner auf Maden in Wunden und Würmer im Darm.

Einige Menschen tragen Mahlzeiten zwischen den Zehen

Bei uns ist der Effekt garantiert. Erst müssen sich die Menschen die Füße waschen. Das dauert. Mein Magen knurrt. Morgens bekomme ich zwar schon eine Ladung Algen. Aber meine wahre Leibspeise ist knusprige Hornhaut.

Von der Danziger Straße können Passanten uns und die Kunden beobachten. Wir sitzen alle im Aquarium. Manche Kunden, besonders Gruppen junger Mädchen, fangen an zu kreischen, wenn sie uns sehen. Sie denken an Regenwürmer oder Dschungelcamp und rennen davon. Andere kitzeln wir, das macht Spaß. Die Stammkunden haben keine Angst, sie entspannen sich im vibrierenden Wasser wie in einem Whirlpool, lesen, dösen weg. Ich komme aus der Familie der Karpfen und habe keine Zähne, deshalb stupse ich die Füße nur mit der Nase an, ganz schnell, immer wieder. Dabei wird abgestorbene Haut locker, die sauge ich ein. Ein natürliches Peeling.

Ich schwimme sofort dahin, wo ich das meiste Futter vermute. An der Ferse ist viel dran, bei manchen Leuten sind die Beine trocken und ergiebig, für solche Leckerbissen stecke ich schon mal das Maul aus dem Wasser. Andere tragen eine ganze Mahlzeit zwischen den Zehen mit sich herum.

In Berlin gibt es bereits mehrere „Fish-Spas“, die Rötliche Saugbarben beschäftigen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Kinder versuchen mich mit den Zehen zu zerquetschen

Ich hasse Kinder. Die versuchen mich zwischen den Zehen zu zerquetschen. Zum Glück habe ich Seitenlinienorgane, damit spüre ich, wenn sich der Wasserdruck verändert und witsche davon. Vor allem ist an den kleinen Menschen nichts dran – da erneuert sich die Haut so schnell, dass keine Schuppen für uns übrig bleiben. Ärgerlich, wo wir doch, so sind die Auflagen, nur vier Kunden pro Tag und Becken abbekommen. Ich freue mich auf Männer mit großen, ungepflegten Füßen. Je länger sie bei mir bleiben, umso weicher werden ihre Füße. Am Ende gibt die Chefin den Kunden ein Handtuch und Creme. Ich fühle mich müde und vollgefressen und brauche erst mal Pause. Das sehen auch die Veterinärämter so, nach jeder Mahlzeit muss die Chefin das Becken eine Stunde lang in Ruhe lassen. Ist auch gut für die Hygiene, wenn das Wasser lang zirkuliert. Über unsere Münder können wir keine Keime übertragen, aber im Wasser bleibt, wie im Schwimmbad, gern etwas zurück. Das muss man alles wissen. Früher hatte die Chefin keine Ahnung von Aquarien. Für die Sachkundeprüfung beim Amt hat sie sich viel angelesen. Jeden Tag nimmt sie den pH-Wert, misst Nitrit und Nitrat. Einmal im Monat schaut der Tierarzt vorbei. Wenn einer meiner Kollegen stirbt, etwa einer im Monat, dann essen wir ihn. Die Chefin schmeißt die Überreste am nächsten Tag in den Mülleimer. Wir sind ja noch klein.

Ich kann bis 14 Zentimeter groß werden – zu groß für unsere Becken. Nach einem Jahr verkauft uns Vanessa Hopf weiter an andere Studios mit mehr Platz oder großen Aquarien. Das ständige Umsetzen ist unangenehm. Auch deshalb kämpfen viele gegen unser Unternehmen. Die Veterinärämter in Nordrhein-Westfalen beispielsweise erlauben keine Tierarbeit. Stefan Klippstein vom Tierschutzbüro in Berlin findet, dass man Tiere nicht für Geschäfte einspannen soll.

Der Job ist nicht ideal, das Betriebsklima dafür super

Ich gebe zu, der Job ist nicht ideal. Manchmal lassen Kunden ihre Füße schnell reinplumsen. Das Wasser schlägt riesige Wellen und mir wird ganz schwindelig. Ich ziehe mich dann zurück in eine Tonrolle auf dem Boden meines Büros.

Dafür ist die Stimmung in unserem Betrieb super. Abends, wenn die Chefin nach Hause geht, ruft sie uns zu: Tschüss, meine Fische! Manchmal träumt sie schlecht, dass Vögel uns wegpicken oder uns jemand aus den Aquarien stiehlt. Dann strahlt sie uns morgens glücklich an, wenn wir doch pünktlich mit der Arbeit beginnen. Ohne uns wäre sie nichts.

Aufgezeichnet von Julia Prosinger.

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