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Berlin: Von Tag zu Tag: Ermessensspiel

Der Elfjährige kam abends vom Sport, wollte den BVG-Bus heimwärts nehmen, wurde aber nicht mitgenommen. Er hatte - nach Art aller Elfjährigen recht verschusselt - sein Euro-Fahrgeld nicht gefunden, stieß aber im Rucksack grabend tief unten auf einen versprengten Mark-Bestand.

Der Elfjährige kam abends vom Sport, wollte den BVG-Bus heimwärts nehmen, wurde aber nicht mitgenommen. Er hatte - nach Art aller Elfjährigen recht verschusselt - sein Euro-Fahrgeld nicht gefunden, stieß aber im Rucksack grabend tief unten auf einen versprengten Mark-Bestand. Der Busfahrer bestand indes ordnungsgemäß auf Euro; denn die BVG nimmt seit dem 6. Januar keine Mark mehr an. Der Junge zog den Kürzeren und lief fünf Kilometer heim.

Er machte, derart vom Mitfahren ausgeschlossen, eine Erfahrung mit der Unfähigkeit einiger Erwachsener zum schönen, aber offenbar für sie allzu schwierigen Gesellschaftsspiel: des Ausschreitens eines Ermessensspielraumes, den nur die Vernunft umgrenzt. Der Busfahrer hat hier versagt. Er handelte zweifelsohne nach der Vorschrift. Aber er erniedrigte sich, indem er sich kein Ermessen erlaubte, zutraute. Ein Spielverderber. Und für die BVG sprang dabei nicht einmal eine D-Mark heraus. Sie ging leer aus, der Junge aber mit einer Erfahrung.

Was hätte also einer mit Steuerbefähigung und Kassierbefugnis tun können? Er hätte dem Jungen sagen sollen: "Steig ein. Nächstens denke an die neue Währung." Und hätte vielleicht einen bleibend guten Eindruck bei dem Kind hinterlassen. Der Junge hätte das "echt cool" genannt. Hier hätte ein Erwachsener die schöne Möglichkeit gehabt, etwas frei entscheiden zu können So aber erfuhr ein vom Mitfahren ausgeschlossenes Kind, dass "mächtige" Leute meinen entscheiden zu müssen, was sie auch anders hätten regeln können, also auch hätten entscheiden sollen.

Ekkehard Schwerk

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