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Von Tag zu Tag: Statt Handtuch

Andreas Conrad fühlt sich in einer weihnachtlichen Kirche wie am Strand

Das Ideal des Urlaubs besteht für viele darin, an fernem Strande faul in der Sonne zu liegen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Das Gegenteil also eines Heiligabends in der Heimat, an dem es mindestens ebenso vielen Pflicht wie Bedürfnis ist, eine Christvesper aufzusuchen. Beides führt regelmäßig zu Gedränge, unter den Sonnenschirmen stark genutzter Badebuchten wie im Kirchenschiff, aber jede weitere Gleichsetzung von Sonnenanbetung und Gottesdienst muss Gläubigen als Sakrileg erscheinen. Ein frommer Irrtum, wie sich auch dieses Weihnachten in überfüllten, gleichwohl anfangs halbleer wirkenden Gotteshäusern zeigte. Denn mancher Gottsucher glaubte sich da nicht mehr unter seinesgleichen, sondern sah sich vor allem Platzhaltern gegenüber, die mit Mänteln, Handschuhen, Mützen viel Freiraum um sich geschaffen hatten, eben wie sie es vom Strand gewohnt sind. Warum, so sagten sie sich wohl, sollten sie jetzt anders taktieren als am Meer, wo sie im Morgengrauen mit ihren Handtuch anrücken? Geht es doch auch hier, irgendwie, um den besten Platz an der Sonne.

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