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Berlin: Von Tag zu Tag: Wichtel

Vor zwei, drei Jahren war das ganz lustig: Da liefen einem ab und zu während der Weihnachtszeit etwas merkwürdige Menschen über den Weg. Sie hatten etwas, das die Leute lachen machte oder auch nur stutzig.

Vor zwei, drei Jahren war das ganz lustig: Da liefen einem ab und zu während der Weihnachtszeit etwas merkwürdige Menschen über den Weg. Sie hatten etwas, das die Leute lachen machte oder auch nur stutzig. Vor allem die Kinder reagierten mit wacher Aufmerksamkeit. Sie schauten hellauf begeistert, mitunter auch ein wenig erschrocken, aber dann lächelten sie schnell, und auch die Eltern lächelten oft, wenn sie nicht gleich wieder damit beschäftigt waren, die lieben Kleinen zu ermahnen.

Aber heute ist der Reiz dahin. Heute machen es viele. Zu viele. In der U-Bahn etwa, wenn sie die Motz verkaufen, oder an der Supermarktkasse, wenn sie mit grämlichem Gesicht das Band passieren lassen. Selbst an der Wursttheke, wo man gerade nicht so viel zu lachen hat, findet man sie. Aber auch beim Juwelier, selbst beim Personal von Arztpraxen werden sie schon gesichtet. Wir finden sie bei der Abfertigung am Flughafen, nur unter den dunkel gekleideten und würdevollen Managern haben wir sie noch nicht entdeckt. Aber das ist eine Frage der Zeit.

Geht die Entwicklung rasant weiter, werden bald alle so rumlaufen. Es wird wie eine Sucht sein. Wir werden in unseren Kleiderschränken richtig Platz schaffen müssen, um die Klamotten unterbringen zu können. Denn vielleicht kommen bald noch rote Mäntel samt Bart dazu - wenn die Weihnachtsbommelmütze nicht ausreicht.

Die roten Mützen werden immer mehr. Fast überall sieht man sie und übersieht sie auch schon. Die echten Weihnachtsmänner sind sauer. Wenn das so weiter geht, werden wir bald und vorübergehend ein Volk von Wichteln sein - die keiner mehr wichtig nimmt, über die auch keiner mehr lacht.

Christian van Lessen

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