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Ruhig Blut. Der gebürtige Mecklenburger vor dem Jahnstadion. Peter Kurth ist für den Job in den Kiez gezogen.

© Thilo Rückeis

Kiezspaziergang mit Schauspieler Peter Kurth: Von wegen Schwabylon

Der Schauspieler Peter Kurth („Babylon Berlin“) hat derzeit viel zu tun – er erholt sich in Prenzlauer Berg, in den Cafés oder auf dem Rad.

Sein Verhältnis zu seinem Berliner Wohnort ist entspannt und ohne jede ideologische Aufladung. Der Schauspieler Peter Kurth wohnt, wenn er in Berlin ist, seit mehr als zehn Jahren mitten in Prenzlauer Berg. Doch auf die seltsamen Streitereien, die um Prenzlauer Berg so gern entbrennen – Kinderwagen in Cafés, zu viele Latte-Macchiato-Mütter, alle Originalbewohner weg-gentrifiziert – mag sich der Mann aus einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern nicht einlassen.

Was nicht bedeutet, dass ihm die Politik gleich wäre, im Gegenteil. Selbstverständlich kommen die Wohnungsproblematik oder die Gentrifizierung thematisch bei ihm an: „Und das sollte es auch für jemanden, der sich auf künstlerische Art mit diesen Dingen beschäftigt. Nur wenn ich mich in der Zeit bewege, bin ich auch in der Lage, etwas zu erzählen.“ Und dann sagt er einen wunderbar wahren Satz über seinen Beruf: Seine Aufgabe als Schauspieler und Künstler sei es, „die Leute so gut zu belügen, dass sie vergessen, dass wir sie belügen – dass sie der Geschichte folgen“.

Darum geht es. Und deshalb will Peter Kurth, der in seinen Filmen so oft ruppig rüberkommt, weder über Schwaben schimpfen, noch über Rollkoffer. Prenzlauer Berg – das hatte für ihn vor zehn Jahren einen simplen Grund: Die Wohnung, die er bezog, lag, wie er sagt, fast genau in der Mitte zwischen dem Maxim-Gorki-Theater, an dem er spielte, und der Bühne in Weißensee, wo er probte. Prenzlauer Berg kann also auch einfach praktisch sein.

Der Roman hat ihn schon vor zehn Jahren begeistert

Mit einem alten Rennrad ist er zum Treffpunkt gekommen, das Hemd weit, die Sonnenbrille cool, das Lachen freundlich wie das Wetter. Später muss er noch nach Dresden – „In den Gängen“ will beworben werden, der Film nach einer Geschichte von Clemens Meyer. Peter Kurth spielt einen Lagerarbeiter in einem Leipziger Großmarkt. Kurth im Arbeitskittel ruckelt mit dem Gabelstapler palettenweise Sternburg-Pils ins Hochregal, als habe er nie etwas anders gemacht, Franz Rogowski und Sandra Hüller verlieben sich – ein Film ganz dicht am Leben.

Kurth hat einige Premieren zu feiern in diesen Monaten. Auch bei „Babylon Berlin“ ist er dabei – der Serie, in der das mythische Berlin von 1929 zum Leben erweckt worden ist. Berlin ist in den Romanen des Kölner Autors Volker Kutscher um den korrupten Kommissar Gereon Rath Hauptstadt der Moderne und grandios-abgründige Kulisse. Auf dem Sender Sky war „Babylon Berlin“ schon zu sehen – im Herbst laufen die ersten Folgen in der ARD. Peter Kurth erzählt deshalb nicht viel über das Schicksal seiner Figur, Raths Kollege Bruno Wolter – aber einiges über das Projekt: „Ich komme sofort ins Schwärmen.“ Schon der Roman habe ihn vor zehn Jahren begeistert. Außerdem habe Bruno Wolter in der Serie „ein eigenes Leben dazu bekommen. Dadurch hat die Rolle einen solchen Bogen, dass ich dachte: was für eine Chance!“

Zwischen den Städten

Vor einem Café in der Oderberger Straße schließt er das schöne Rennrad sorgfältig ab. Na klar, die gastronomische Infrastruktur dieses Kiezes hat viel für sich. Und natürlich hat Peter Kurth auch einen Lieblingsort und lacht und sagt, dass er den nicht verrate, so wenig wie seine Lieblingskneipe. Ohnehin gehe er selten aus, wenn er in Berlin sei, sagt er. „Ich bin so oft unterwegs, dass ich dann, wenn ich zuhause bin, auch gern zuhause bin.“

Noch ist er gewissermaßen ein Pendler: zwischen Berlin und Stuttgart, wo er jahrelang Theater gespielt hat – ein Engagement, das nun langsam ausläuft und in ein gemeinsames Projekt mit dem Regisseur Armin Petras am Deutschen Theater in Berlin mündet.

Oder von Berlin nach Leipzig. Da hat Peter Kurth vor drei Jahren „Herbert“ gedreht, schon damals mit Regisseur Thomas Stuber und dem Kameramann Peter Matjasko, die auch „In den Gängen“ gemacht haben. Über Matjasko sagt Peter Kurth, der sei ein Kameramann, „in dessen Bildern ich mich gern bewege“. Der Boxerfilm, der kürzlich wieder in der ARD lief, lässt das ahnen. Das ist der Mittfünfziger Herbert, der als Trainer arbeitet, als Sicherheitsmann, als Geldeintreiber. Seinem Auftraggeber sagt er über einen Schuldner, dem hab er „die Nase gemacht“. Sprich: gebrochen. Als er die Haarschneidemaschine nicht mehr halten kann, klebt er sie mit Panzerband an der Hand fest. Dann geht es mit dem Haareschneiden.

„Stadtbummler mit dem Fahrrad“

Für „Herbert“ hat Kurth mehr als zehn Kilo zugenommen und während der Dreharbeiten wieder abgenommen. Denn Herbert leidet an „Amyotropher Lateralsklerose“ – der Krankheit des Nervensystems, die zu einem fortschreitenden Muskelversagen führt und wegen der sich vor ein paar Jahren viele Leute in „Challenges“ Eiswasser über den Kopf schütteten. Herbert, dieser Mann, der sich durch Boxen ausdrückte, der dafür lebte, kommt sich also selbst abhanden und versucht mit letzter Kraft ein bisschen Ordnung in sein Leben zu bringen.

Wie er das Gabelstablerfahren gelernt hat, lernte Kurth für Herbert die Grundzüge des Boxens. „Boxen ist ein Sport, der Schauspielern sehr zuträglich ist“, sagt er. Es gehe um Partnerbeziehung, Expressivität, das Training von Abfolgen, um Konzentration. „Es war anstrengend, aber ich habe es sehr genossen.“ Fortsetzen konnte oder wollte er es nicht – zu wenig Zeit. „An Bewegungsmangel leide ich nicht. Ich bin eher so ein Draußen-Mensch.“

Berlin hat er sich mit dem Fahrrad erschlossen. Peter Kurth beschreibt sich als „Stadtbummler mit dem Fahrrad“. Ein Blick auf den Stadtplan, vielleicht eine Tour mit der Bahn. Und dann ist er irgendwo, wo er noch nicht war.

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