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Berlin: Vorbilder von nebenan

Der Bundespräsident lud zum Neujahrsempfang

Wenn um zwölf Uhr mittags die Limousinen vorfahren, und Ministerpräsidenten mit routiniert schwungvollen Schritten ins Schloss Bellevue streben, ist der interessanteste Teil des Neujahrsempfangs beim Bundespräsidenten schon vorbei: die Vorstellung der verdienten Bürger, Menschen, die aus freien Stücken Unglaubliches bewegen, die Mut haben und auch unter schwierigsten Bedingungen positiv denken und handeln. Echte Vorbilder also. Über das Schicksal von Silvia Agnes Luise Bathe-Wittchen haben wir gestern schon berichtet. Als die Frau mit der hellen, freundlichen Ausstrahlung vor 28 Jahren schwerstbehinderte Zwillinge bekam und klar war, dass die beiden Töchter sich nie allein würden anziehen oder ohne Hilfe essen können, war sie entschlossen, ihnen ein möglichst normales Leben zu schaffen. Sie schickte sie auf Regelschulen und ist sehr stolz darauf, dass beide es geschafft haben, Ärztinnen zu werden.

Auch das gehörlose Ehepaar Ilona und Joachim Lange war dabei. Seit 40 Jahren setzen sich die beiden dafür ein, andere Gehörlose aus der Isolation zu holen und Arbeitsplätze behindertengerecht zu gestalten. Ins Schloss Bellevue sind sie mit einem Dolmetscher für Gebärdensprache gekommen, „sonst wäre die Hemmschwelle zu groß gewesen“.

Die Menschen, für die sich Eva Luise und Horst Köhler viel Zeit nehmen, zeichnen sich durch große Unverzagtheit aus. Andreas Braun ist seit elf Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr in Neustetten. Bei der Bekämpfung eines Wohnungsbrandes verletzte er sich vor zwei Jahre so schwer, dass er nun im Rollstuhl sitzt. Trotzdem arbeitet der 25-Jährige weiterhin bei der Freiwilligen Feuerwehr und ist Jugendausbilder im Musikverein.

Helga Luther, die einst zwei Jahre im KZ gesessen hat und deren eigener Sohn von Neonazis erschossen wurde, hat, wie sie schätzt, durch ihre Vorträge in Brandenburg schon um die etwa 100 junge Leute dazu gebracht, sich von der rechten Szene wieder abzuwenden.

Dieter Pumpa aus Cottbus führte 1974 in Sielow das therapeutische Reiten für körperlich und geistig behinderte Kinder ein. Nach der Wende musste er Förderer und Sponsoren finden, damit diese Therapien weiter finanziert werden können. Sabine Zickermann trainiert mit geistig behinderten Schülern für die Special Olympics. Zu den Wettbewerben in aller Welt fahren ihre Schützlinge meist nicht mit den vertrauten Betreuern, sondern mit Begleitern, die aus dem ganzen Bundesgebiet kommen. Sarah Schütze ist erst 16. Aber als dem türkischen Dönerhändler im brandenburgischen Ortrand der Imbissstand abbrannte, tat ihr das so leid, dass sie ein Benefizkonzert mit Bands aus der Region organisierte. Das erbrachte 1700 Euro. Vielleicht sollten sich die Ministerinnen und Minister fürs nächste Jahr einfach mal vornehmen, eine Stunde früher zum Empfang zu kommen. Da könnten sie allein durch Zuhören fürs neue Jahr sehr viel Sinnvolles lernen. Bi

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