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Ein Ohr für Flüchtlinge. Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann möchte Flüchtlinge gerne in Ferienwohnungen unterbringen.

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Vorschlag aus Friedrichshain-Kreuzberg: Ferienwohnungen für Flüchtlinge - eine schwierige Idee

Ferienwohnungen sollen Flüchtlingsheime werden, findet Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann. Im Senat und in der Immobilienbranche ist man skeptisch.

Einen Termin bei Bausenator Andreas Geisel (SPD) hat Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) noch nicht. Vorsprechen will sie aber auf jeden Fall, um ihm ihren Vorschlag zur Unterbringung der Flüchtlinge in Ferienwohnungen zu unterbreiten. „Ich mach’ gerne die Vorreiterin“, sagt Hermann, nachdem sie die Idee am Donnerstag bereits im Rat der Bürgermeister den Rathauschefs der anderen Bezirke unterbreitet hatte.

Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) rückte auf Anfrage die Dinge zurecht: „Das Gesetz sieht Beschlagnahmungen aus gutem Grund nur für ganz besondere Ausnahmefälle vor.“ Der Vorschlag sei „nicht zu Ende gedacht – und würde vermutlich eine Klagewelle nach sich ziehen. Das hilft niemandem und den Flüchtlingen am wenigsten“.

Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung stößt sie wohl auf taube Ohren: Man werde „den Vorschlag nicht kommentieren“, heißt es dort. Zu dieser Sprachregelung wird gerne gegriffen, wenn ein Vorstoß entweder völlig absurd ist oder aber sehr brisant. Der Sprecher des Immobilienverbandes Haus und Grund, Dieter Blümmel, kommentierte Herrmanns Idee einer Umwandlung von Ferienwohnungen zu Flüchtlingsheimen tiefenentspannt: „Die Dame möge sich mit dem Grundgesetz auseinandersetzen.“ Gegen den Versuch, Wohnungen zu beschlagnahmen, würden sich Hauseigentümer erfolgreich wehren – „da bin ich mir ganz sicher“.

Das Lageso hat durchaus schon Gebäude beschlagnahmt

Beschlagnahmt hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) durchaus schon mal Gebäude, aber die befanden sich stets in öffentlichem Eigentum. Das Lageso hat sogar das Recht zu beschlagnahmen, und zwar nach dem „Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz“. Das greift beispielsweise dann, wenn Flüchtlinge sonst auf der Straße landen würden. Und dieser Tage, in denen so viele Notleidende aus dem Ausland nach Berlin kommen wie seit Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr, kommt das Gesetz durchaus immer wieder zur Anwendung. „Aber nur, damit es schnell geht, und möglichst in Abstimmung mit den Bezirken“, sagt Regina Kneiding von der Sozialverwaltung. Auch die Sozialverwaltung schließt aus, dass Wohnungen von Privaten beschlagnahmt werden, um Flüchtlinge unterzubringen. Das Eigentumsrecht lasse dies nicht zu. „Aber richtig ist auch, dass Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht werden sollten.“

Die Bürgermeister anderer Städte bringen Flüchtlinge grundsätzlich in Wohnungen unter, die die Kommune selbst mietet. Das hat zwei Vorteile: Die Flüchtlinge sind unmittelbar in eingespielte Hausgemeinschaften integriert; das verhilft zu Kontakten und fördert den Spracherwerb. Außerdem werden sie nicht räumlich ausgegrenzt.

Die Traglufthallen sind weiter in Betrieb

In Berlin kooperiert die Verwaltung bei der Wohnungssuche mit dem Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF). Dessen Mitarbeiter brachten im vergangenen Jahr 1298 Flüchtlinge in Wohnungen unter, so viele wie nie. Angespannt bleibt die Lage trotzdem: Seit Anfang des Jahres kamen, Stand Donnerstag, weitere 1066 Asylsuchende nach Berlin. Insgesamt brachte die Verwaltung 23 000 Neuberliner aus Krisenregionen in Heimen, Notunterkünften und Hostels unter, 9000 davon leben zum Teil schon länger in Wohnungen. 500 Flüchtlinge sind in Hostels untergebracht. Die Traglufthallen in Moabit, wo Asylsuchende für ein paar Tage unterkommen, sind weiter in Betrieb, damit niemand auf der Straße übernachten muss.

Und mächtig gebaut wird außerdem: Für Wohncontainerdörfer wie das in Buch im Bezirk Pankow laufen die vorbereitenden Arbeiten. Erstmals seit dem Krieg baut das Land selbst Flüchtlingsunterkünfte – und nicht nur private Betreiber.

Womöglich kommen Flüchtlinge in Studentenwohnungen unter

Im Gespräch ist auch die Unterbringung von Flüchtlingen im ehemaligen Psychiatrie-Gebäude des Benjamin- Franklin-Klinikums in Steglitz, denn das steht leer. Erwogen wird zudem eine Kooperation mit der landeseigenen Firma Berlinovo, die das Immobilienerbe der skandalumwitterten Bankgesellschaft Berlin verwaltet. Die Berlinovo hat ein Konzept für billiges „modulares Bauen“ entwickelt und will nach diesem Prinzip Studentenwohnungen errichten. Gut möglich, dass auch Flüchtlinge in einem Teil dieser Wohnungen unterkommen könnten.

Dass auch Zwischennutzungen für Flüchlinge sinnvoll sein könnten, legt eine Zahl der Sozialverwaltung nahe: Etwa die Hälfte der Neuberliner kommen derzeit aus „sicheren Herkunftsländern“. Deren Chancen, dauerhaft hier leben zu dürfen, sind gering.

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