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Berlin: Warten auf den großen Wurf

Seit einem guten halben Jahr sind die Senatoren Katrin Lompscher, Jürgen Zöllner und Gisela von der Aue im Amt. Ihre Bilanz fällt durchwachsen aus

Von Sabine Beikler

Gammelfleischfunde, Klimaschutz, Medikamentenskandal in der Haftanstalt, Umgang mit jugendlichen Intensivtätern, Unterrichtsausfälle, das Gezerre um die kostenlose Kita-Betreuung und die Novellierung des Hochschulgesetzes: Viel Zeit zum Einarbeiten blieb den drei neuen Senatoren Jürgen Zöllner (SPD), Gisela von der Aue (SPD) und Katrin Lompscher (Linkspartei) in der Regierungsmannschaft von Klaus Wowereit nicht. Selbst die Opposition billigte dem Trio angesichts der großen Aufgabenblöcke eine Schonfrist zu. Ein gutes halbes Jahr sind die Senatoren jetzt im Amt. Wo gibt es Defizite? Und wie wird ihr politischer Stil bewertet? Zeit für eine Zwischenbilanz.

Katrin Lompscher

Neue Möbelhäuser, marode Gehwege oder Bushaltestellen: Das waren die Sachthemen, mit denen sich die Lichtenberger Baustadträtin vor ihrem Wechsel in die Landespolitik befasst hatte. Einen inhaltlichen Zugang für die neuen Bereiche Gesundheit, Umwelt, Verbraucherschutz hatte Lompscher nicht. Sie hat zwar die Fähigkeit, sich schnell in Themen einzuarbeiten, doch ihre Vorstellungen bleiben oft oberflächlich und nicht bis ans Ende durchdacht. Ein Beispiel: Vom New Yorker Umweltgipfel brachte sie wenig Ideen mit – und die, die sie vortrug – wie weitere Fahrverbote – waren im Senat nicht abgestimmt und handelten ihr eine scharfe Rüge von SPD-Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer ein. „Lompscher muss mehr über ihren Tellerrand schauen und sich als Mannschaftsspielerin begreifen“, fordern Parteifreunde. Auch ihr Auftreten im Gesundheitsbereich ist verbesserungswürdig: Sie ist zu wenig präsent und brüskiert die Ärzteschaft mit schroffen Absagen bei der Gremienmitarbeit. Ihre Leitlinie, Gesundheit und Verbraucherschutz unter dem Logo „gesunde Lebensweise“ umzusetzen, dürfte auf Dauer zu wenig sein.

Jürgen Zöllner

Die meisten Vorschusslorbeeren unter den Neuzugängen im Senat erhielt der frühere rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner, der Berliner „Supersenator“ für Bildung und Wissenschaft. Seine fachliche Kompetenz hat zwar niemand abgestritten, doch nun wartet man in seinen Bereichen auf die großen Würfe. Zöllner vermeidet bei all den notwendigen Reformen klare Zusagen und verschafft sich Bedenkzeit, indem er erst einmal drei Projektgruppen im Bildungsbereich zu den Themen Bürokratieabbau, Lehrkräfteplanung und Qualitätsmanagement arbeiten lässt, die im Sommer ihre Ergebnisse präsentieren sollen. Auch in der Hochschulpolitik liegen noch keine Detailpläne vor: Wie sieht das Hochschulgesetz aus? Welche Zielvereinbarungen haben die Hochschulverträge? Und schafft Zöllner es, eine Berliner Universität zur Elite-Uni zu machen? Bei öffentlichen Auftritten verkauft er sich gut und zeigt Verständnis für die Nöte von Eltern und Lehrern. Den Parlamentariern gegenüber aber tritt er nicht selten mit einer Arroganz gegenüber, die auch SPD–Parteifreunde nicht goutieren.

Gisela von der Aue

Ihr Ruf als harte Aufklärerin eilte ihr voraus: Als Brandenburger Rechnungshofpräsidentin hat sie sich bei der Bekämpfung von Verschwendung und Filz Verdienste erworben. Aufklärung forderte sie auch beim Medikamentenskandal – und handelte schnell: Sie entließ ihren Justizstaatssekretär, setzte eine Untersuchungsgruppe ein und kündigte strukturelle Verbesserungen an. Von der Aue ist zwar mutig und forsch, doch lässt ihr rigider – manche sagen autokratischer – Führungsstil oft diplomatisches Fingerspitzengefühl vermissen. Mit der Rüge für Oberstaatsanwalt Roman Reusch hat sie ungeachtet der inhaltlichen Diskussion über dessen umstrittene Äußerungen fast die gesamte Staatsanwaltschaft gegen sich aufgebracht. Noch stehen ihre Parteifreunde hinter hier: Ihr Posten aber kann sehr schnell zum Schleudersitz werden, sollten wieder einmal Häftlinge reihenweise das Weite suchen.

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