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Neun Monate nach dem gewaltsamen Tod eines fünfjährigen Mädchens hat das Berliner Landgericht den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt.

© dpa/Paul Zinken

Update

„Was da noch in ihm schlummern mag“: Babysitter nach Tötung von Fünfjähriger in Berlin zu Jugendhaft verurteilt

Im Pankower Bürgerpark sollte Gökdeniz A. auf die kleine Anissa aufpassen, doch stattdessen erstach er das Mädchen. Jetzt muss er in Jugendhaft. Sein Motiv bleibt unklar.

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Der Täter ist aus Sicht der Richter zweifelsfrei überführt, das Motiv aber bleibt im Dunkeln: Neun Monate nach dem gewaltsamen Tod der fünfjährigen Anissa ist Gökdeniz A. zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt worden.

Der 20-Jährige habe im Bürgerpark Pankow auf das Mädchen eingestochen und sich des Totschlags schuldig gemacht, begründete der Vorsitzende Richter Uwe Nötzel am Dienstag das Urteil. Es sei eine besonders verabscheuungswürdige Tat. „Was wir nicht rausgefunden haben, ist der Hintergrund, der Anlass.“

Gökdeniz A., Sohn einer Gastronomen-Familie, hatte im Prozess geschwiegen. Eine psychiatrische Gutachterin hatte ihm eine leichte Intelligenzminderung und kognitive Einschränkungen bescheinigt. Der Tatnachweis sei aufgrund von Spuren am Messer sowie an Kleidung des Angeklagten unproblematisch gewesen, so Nötzel. „Aber was war der Anlass – vielleicht wusste er selbst gar nicht genau, warum er tut, was er getan hat.“

A. wollte Anissas Mutter nah sein

A. habe auf das Kind aufpassen sollen – „das Mädchen hatte Vertrauen, ein grässlicher Vertrauensbruch“. Mordmerkmale habe man aber nicht feststellen können.

Der damals 19-Jährige kannte die Mutter von Anissa schon länger, wollte ihr wohl nah sein. Ab und zu passte er auf Anissa und ihre drei jüngeren Schwestern auf. Am Nachmittag des 21. Februar war er mit den Kindern auf dem Spielplatz im Paule-Park. Bis Anissa zur Toilette musste. Da verließ er den Spielplatz.

Mit dem Mädchen an der Hand sahen ihn Zeugen. Unbekümmert habe das Kind gewirkt. Gegen 15 Uhr kam es in einem Gebüsch zur Tat.

Es ist der ungeklärte Umstand, der uns Sorgen macht – was da noch in ihm schlummern mag.

Richter Uwe Nötzel über den verurteilten Gökdeniz A.

Weil die jüngeren Geschwister von Anissa allein auf dem Spielplatz waren, riefen Passanten die Polizei. Funkwagen waren bereits vor Ort, als A. zurückkehrte und meinte, er suche Anissa, sie sei ihm weggelaufen. Polizisten erlebten den Angeklagten am Tattag als „emotional kühl“. Gegen 17.30 Uhr fanden eine Anwohnerin und ihre Tochter das leblose Kind. Anissa starb in einem Krankenhaus.

Der Verurteilte kommt nicht in die Psychiatrie

Wegen der Schwere der Tat sei eine Strafe nur wenig unter zehn Jahren – der möglichen Höchststrafe nach dem angewendeten Jugendstrafrecht – erforderlich, hieß es weiter im Urteil. Berücksichtigt habe das Gericht, dass A. möglicherweise wegen einer Intelligenzminderung und einer Persönlichkeitsakzentuierung bei der Tat in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt war. Eine lückenlose Diagnose aber gebe es aber nicht.

Ob es möglicherweise einen sexuellen Hintergrund gab oder einen anderen, sei offen – es gebe keine tragfähigen Anhaltspunkte. „Es ist der ungeklärte Umstand, der uns Sorgen macht – was da noch in ihm schlummern mag“, so der Richter.

Eine von der Staatsanwaltschaft beantragte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus komme nicht in Betracht, weil nicht sicher eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit festgestellt worden sei. Das Gericht hege allerdings die Erwartung, dass A. nach der langjährigen Haft „das, was möglicherweise in ihm schlummert, überwunden hat“.

Das Gericht folgte mit der Entscheidung im Wesentlichen dem Antrag der Verteidiger. Weil Tumulte befürchtet wurden, waren am letzten Prozesstag 14 Wachtmeister mit im Saal. Gökdeniz A. blieb wie an den anderen Verhandlungstagen regungslos. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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