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Was macht die Familie?: Einmal zurückschreiben!

Wie eine Mutter die Stadt erleben kann

Von Patricia Wolf

Wie sich die Dinge im Lauf der Jahre doch in ihr Gegenteil verkehren! Solange die Mädchen klein waren, gab es wenig Verlockenderes als die Vorstellung, mal ein paar Stunden allein für mich zu sein. In Ruhe frühstücken, Zeitung lesen, mit einer Freundin plaudern, ohne von Geschrei und Getöse unterbrochen zu werden. Nun, da die beiden erwachsen sind, ist es umgekehrt, da ist jeder Moment kostbar, den sie mit uns Eltern verbringen.

Franca, die Kleine, ist mit 18 nach zwei langen Jahren aus England zurück, wo sie ihr Abi gemacht hat. Lara, die große Schwester, tritt in ihre Fußstapfen und wird in derselben englischen Stadt studieren. Wieder endet ein Abschnitt, ein neuer liegt vor uns: für die Mädchen, aber auch für uns Eltern. Zeit also, nachzusinnen. Was habe ich richtig gemacht, wofür muss ich mich schämen, worauf darf ich stolz sein?

Nun, ich bin die scheinbar nicht existente Mutter aus der Kolumne, die Mama zweier bezaubernder Töchter, die wohl so mancher Leser bemitleidete, in der Annahme, dass sie ohne Mutter aufwüchsen und nur vom Vater erzogen würden. Der Vater, der an dieser Stelle davon berichtete, wie er ihnen das Frühstück bereitete, nachdem er sie geweckt und noch flugs ihren kaputten Fahrradschlauch repariert hatte, damit sie es rechtzeitig zur Schule schaffen würden, selbstverständlich von ihm mit einem ordentlichen Stullenpaket ausgestattet. Der nicht nur einen langen Abend mit ihnen Mathe und Physik paukte.

Ok! Ich habe morgens länger geschlafen, hasste Spielplätze, war in Mathe eine Null. Vorwerfen muss ich mir mangelnde Fürsorge (keine selbst gebackenen Torten zum Geburtstag, keine selbst gestrickten Schals) wie auch mangelnde Toleranz: „Nutella kommt mir nicht ins Haus!“ – „Diese Schuhe ziehst du nicht mehr an!“ (Schuhe, die den Namen nicht verdienten, hingen sie doch nur mehr in Fetzen am Fuß).

Doch ich versichere: Ich habe sie montags zum Tennis, dienstags zur Musikschule, mittwochs zum Judo, donnerstags zum Kinderarzt und freitags zum Kindergeburtstag bugsiert. Habe morgens manche Stulle geschmiert, Lateinvokabeln abgefragt, sie nachts um eins von der Party abgeholt und bin später dann so lange aufgeblieben, bis sich morgens um fünf der Schlüssel im Türschloss drehte. Und, zumindest im Rückblick, habe ich jede Minute davon genossen. Patricia Wolf

Tipp: Um melancholischen Anwandlungen zu entfliehen, eignet sich hervorragend ein gemeinsamer Kinobesuch. Zum Beispiel „Brautalarm“. Ist viel besser, als der dämliche Titel vermuten lässt.

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