zum Hauptinhalt

Berlin: Weltvergessen im Dahmeland

Hier verläuft das Leben wie der gemächlich dahinziehende Fluss, der sich in Schlingen und Seen staut. Die einstigen Fischerdörfer liegen zwischen allen Wassern. Nur einmal hat ein Raubritter diese Gegend aus der Ruhe gebracht

Einen solchen Aufmarsch gab es nur ein einziges Mal in dieser weltfernen Gegend. Es war am Morgen des 9. Juli 1528, die Sonne brütete schon auf den Kehren und Schlingen der Dahme, als sich im Dorf Blossin am Wolziger See schwer bewaffnete Reiter trafen. Heinrich von Queiß, Gutsherr zu Blossin, hatte den Trupp von 400 Mann mit Hilfe zweier Landadeliger aus der Nachbarschaft zusammengebracht. Nun ritten sie gemeinsam ins nahe Spreestädtchen Fürstenwalde, um sich dort an einem Mann zu rächen, von dem sich gedemütigt fühlten: Bischof Georg von Blumenthal. Als ihnen dieser entwich, plünderten sie die ganze Stadt. Es war die schlimmste Raubrittertat des 16. Jahrhunderts in Brandenburg. Dass sie ausgerechnet im Dahmeland ihren Anfang nahm, an dessen Ufern das Leben wie der gemächlich dahin ziehende Fluss verläuft, mochte schon damals kaum jemand glauben.

Diese Landschaft ist nahezu einmalig in Deutschland. Wie ein Geflecht voller glitzernder Tautropfen sehen die vielen Seen, Kanäle, Fließe und Windungen des Flusses aus der Luft aus, dazwischen Kiefern und Laubwälder, Heide, Moore, trockene, kräuterreiche Wiesen und Sandkuhlen.

Selbst Bauern plagen sich in der Gegend seit Jahrhunderten ab, nur für Fischer und Schafzüchter scheint sie wie geschaffen. Diese zog es schon seit dem Ende der Eiszeit hierher, sie siedelten sich im späten Mittelalter in Fischerdörfern wie Prieros oder Dolgenbrodt an. Auch das Wappen von Senzig erzählt davon: Es zeigt rechts einen kapitalen Hecht und links ein Schaf. Doch ansonsten wollte niemand ins Dahmeland, es war dünn bevölkert und entlegen.

Vielleicht bauschten die wenigen gelangweilten Landadeligen deshalb kleine Ärgernisse zu großen Fehden auf. Zum Beispiel den Streit um eine entführte Schafherde des Blossiner Gutsherrn Heinrich von Queiß, der schließlich im Angriff auf Fürstenwalde endete. Die Sache ist schnell erzählt: Ein Schäfer des Gutes fühlte sich schlecht behandelt und floh mit allen Schafen ins nahe Dorf Friedersdorf. Sein Herr forderte sofort Genugtuung und verklagte ihn, aber der zuständige Amtshauptmannn verbummelte offenbar die Angelegenheit. Heinrich von Queiß rief daraufhin den Landvogt und schließlich den Bischof an, doch als ihm auch diese beiden nicht so recht weiterhalfen, stürmte er wutentbrannt die Bischofsburg in Fürstenwalde.

Der zuständige Landesherr, Kurfürst Joachim I., war äußerst erbost, aber doch großzügig: Von Queiß und seine vielen Helfer kamen alle ohne schwerwiegende Strafe davon.

Es kehrte wieder Ruhe ein ins Dahmeland, bis sich der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. rund 180 Jahre später ins Schloss des damaligen Wendisch Wusterhausen verliebte. Es war sein bevorzugter Sommerwohnsitz, hier lebte er mit seiner Familie so gerne, dass alle Welt bald nur noch von des Königs Wusterhausen sprach. Hier begründete Friedrich Wilhelm I. den Mythos vom spartanischen Preußen, weil er im Schloss so kärglich lebte und seine Arbeitstage pflichtbewusst am Schreibtisch verbrachte, wie er dies von seinen Untertanen ständig verlangte. Und in den wilden Dahmewäldern drumherum ging der König seiner großen Leidenschaft nach – der Jagd.

Ein klein wenig war nun die große Welt von Berlin und Potsdam präsent. Doch bedeutsamere Veränderungen bewirkte erst der nächste Preußenherrscher, Friedrich der Große. In dessen Regierungszeit begann man, die Dahme als wirtschaftlich bedeutungsvolle Wasserstraße nach Berlin schiffbar zu machen.

Das war dringend geboten, denn Berlin wuchs. Die Hauptstadt brauchte Ziegel und Kies, Holz und Torf, am besten aus dem nahen Umland wie der Dahmeregion. Dort gab es große Tonvorkommen, sie ließen sich zu Ziegeln brennen, die fertigen Steine wurden nach Berlin verschifft. Dafür war die Dahme ideal.

Sie entspringt im gleichnamigen Ort Dahme bei Luckau am Westrand des Spreewaldes, dann fließt sie über Märkisch Buchholz und Prieros, durch den Dolgen- und Krüpelsee, an Königs Wusterhausen vorbei nach Berlin und mündet schließlich am Schloss Köpenick in die Spree.

Das Flussbett wurde im 18. und 19. Jahrhundert teils vertieft und befestigt, erste Schleusenbauwerke regulierten die Pegel. Am „Wasserkreuz“ in Prieros ist das besonders wichtig. Der Ort liegt malerisch zwischen allen Wassern, hier vereint sich die Dahme mit der westlichen Seenkette aus Teupitz und der östlichen Kette vom Scharmützelsee zum Wolziger See und Langen See. Die Zeit der vielen Frachter ist allerdings längst vorbei. Nach dem Ersten Weltkrieg endete langsam der Bauboom in Berlin, Ziegel aus Brandenburg waren weniger gefragt, viele Ziegeleien gaben auf, die Menschen mussten sich nach neuer Arbeit umschauen.

Seither schippern umso mehr Freizeitboote und Passagierdampfer durchs Dahmeland. Es ist weiterhin dünn besiedelt und hat sich den Reiz des Weltvergessenen bewahrt, weshalb die einstigen Fischerdörfer heute von den Sommerfrischlern leben. Das verdanken sie auch dem brandenburgischen Tourismus-Pionier Theodor Fontane. Der Dichter warb schon 1881 für die Anmut ihrer wasserreichen Umgebung.

„Die Dahme bildet eine große Anzahl prächtiger Seeflächen, die durch einen dünnen Wasserfaden verbunden sind“, schreibt er in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg. „Ein Befahren dieses Flusses bewegt sich also in Gegensätzen, und während eben noch haffartige Breiten passiert wurden, auf denen eine Seeschlacht geschlagen werden könnte, drängt sich das Boot eine Viertelstunde später durch so schmale Defilees, dass die Ruderstangen nach rechts und links hin die Ufer berühren.“

IN PRIEROS

An der Dorfaue kann man sich gut verköstigen und viel sehen, zum Beispiel das Heimatmuseum. Mit seinem bunten Biogarten ist es ein Schmuckstück.

AM STRAND

Verschwitzt? Dann schnell ins Wasser an den flachen Stränden bei Prieros, Kolberg und Senzig. Man kann hier wunderbar mit Gespritze ins Wasser rennen.

BEI RUDI

Das Sattelschwein Rudi des Kinderbauernhofs Gussow freut sich über leckere Mitbringsel – dafür lässt es sich tätscheln, ebenso wie die vielen anderen Tiere des Gehöfts.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false