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Berlin: weniger als gedacht

Die neue Statistik ist schlecht für die Landeskasse: Fast 500 Millionen Euro weniger bekommt die Stadt aus dem Finanzausgleich.

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In Berlin leben viel weniger Menschen als bisher angenommen. Der am Freitag vorgestellte neue Mikrozensus, der einer repräsentativen Befragung der Bundesbürger zugrunde liegt, zählt nur 3,29 Millionen Menschen in der Hauptstadt – das fast 180 000 Berliner weniger als in der letzten Erhebung vor zwei Jahren. Zum Vergleich: Ortsteile wie Kreuzberg oder Prenzlauer Berg haben rund 150 000 Einwohner. Geringer fällt die Bevölkerungszahl auch im langfristigen Vergleich aus. Vor zwanzig Jahren lebten den Statistikern zufolge über 150 000 Menschen mehr in der Stadt als heute.

Das hat dramatische finanzielle Auswirkungen auf die Haushaltslage des mit rund 63 Milliarden Euro hoch verschuldeten Landes. Denn Berlin zählt bisher zu den größten Empfängern von Zuwendungen aus dem Länderfinanzausgleich. Und der Ausgleich der Wirtschaftskraft aller Bundesländer bemisst sich auch an der Zahl deren Einwohner. Die Finanzverwaltung rechnet auf Grundlage der Zahlen des Zensus dauerhaft mit Mindereinnahmen von fast einer halben Milliarde Euro pro Jahr.

Dafür gibt es mehr alte Menschen. Im Vergleich zu 1991 sind heute fast 68 Prozent der Berliner mindestens 65 und höchstens 75 Jahre alt. Auch die Zahl der 40- bis 50-Jährigen stieg in diesem Zeitraum um mehr als zwölf Prozent. Mehr als jeder zehnte Berliner hat einen ausländischen Pass: mehr als 372000 Menschen, gut ein Prozentpunkt mehr als vor zwei Jahren. Und fast jeder vierte Berliner hat ausländische Wurzeln.

Für den Wohnungsmarkt sind die neuen, geringeren Bevölkerungszahlen keine Entlastung. Denn auch die Zahl der Wohnungen hat sich gegenüber der letzten Erhebung im Jahr 2011 verringert: auf 1,84 Millionen. Das sind 40000 Wohnungen weniger als bisher angenommen. Die Zusammenlegung von Wohnungen oder der Abriss von Gebäuden in Randgebieten könnten dies erklären. Rund 3,6 Prozent der Wohnungen stehen laut Zensus leer. Damit liegt die Quote unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 4,5 Prozent. Dass in Berlin fast 180 000 Menschen weniger wohnen als zuletzt angenommen, wird nach Einschätzung der Senatsverwaltung für Finanzen „erhebliche Auswirkungen“ auf die Einnahmen des Landes haben. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) nannte die Zahlen „einen Rückschlag auf unserem Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt“. Bis 2016 will der Finanzsenator ein Haushalt vorlegen, der ohne Aufnahme neuer Schulden auskommt. „Gleichzeitig müssen wir alle Optionen nutzen, die Einnahmeseite des Haushalts weiter zu stärken“, sagte Nußbaum. Dazu forderte er die zügige Einführung der City-Tax.

Touristen sollen fünf Prozent des Übernachtungspreises als Bettensteuer zahlen. Der Senat rechnet dadurch mit Einnahmen in Höhe von 25 Millionen Euro. Der Gesetzentwurf wird zurzeit in Ausschüssen beraten und nicht vor Herbst vom Abgeordnetenhaus verabschiedet.

Aufgrund der teilweise rückwirkenden Anwendung drohe dem Land in diesem Jahr eine zusätzliche Belastung von rund einer Milliarde Euro durch Kürzungen von Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich, hieß es in der Senatsfinanzverwaltung. Denn zwei Parameter spielen in dem Ausgleichssystem zwischen Geber- und Nehmerländern wie Berlin eine entscheidende Rolle: die Zahl der Einwohner und der Abstand der eigenen Finanzkraft je Einwohner zu der des Länderdurchschnitts. Aus dem Länderfinanzausgleich flossen im vergangenen Jahr 3,323 Milliarden Euro in die Landeskasse. Das heißt umgerechnet: Fast jeder siebte Euro, der in Berlin für öffentliche Zwecke ausgegeben wird, kommt aus den reichen Geberländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.

Nußbaum erwartet jetzt Mäßigung bei den finanziellen Wünschen seiner Senatskollegen. Zurzeit verhandeln die Fachressorts des Senats mit dem Finanzsenator über den Doppelhaushalt 2014/15, der am 12. Juni vom Senat verabschiedet werden soll. Dabei dürfen die Ausgaben jährlich nur um 0,3 Prozent steigen. Nußbaum sagt deutlich, dass „in den laufenden Haushaltsberatungen keine Spielräume für zusätzliche Ausgaben“ vorhanden seien. Der Haushalt des Landes Berlin umfasst jährliche Einnahmen und Ausgaben von rund 22 Milliarden Euro. Das Land hat zurzeit Schulden von rund 63 Milliarden Euro und muss in diesem Jahr allein 2,3 Milliarden Euro Zinsen zahlen.

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