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Berlin: Weniger arbeiten, schneller leben: Was die Deutschen mit ihrer freien Zeit anfangen

Von Deutschland lernen, heißt faulenzen lernen. Das hat sich bis Japan herumgesprochen.

Von Deutschland lernen, heißt faulenzen lernen. Das hat sich bis Japan herumgesprochen. Kein Wunder also, dass eine Delegation aus dem Fernen Osten kürzlich Experten der "Deutschen Gesellschaft für Freizeit (DGF)" während eines Dienstbesuches in Erkrath zum Umgang mit Mußestunden befragte. Doch die Zeiten, in denen man arglos zugeben konnte, es sich am liebsten mit der Chipstüte vorm Fernseher gemütlich zu machen, sind passé. Nächste Woche können sich die Besucher der Freizeitausstellung Berlin in den Messehallen unterm Funkturm von Mittwoch bis Sonntag informieren, wie man sich abseits der Arbeitsalltags Kicks und Thrills verschafft.

Kürzer arbeiten, schneller leben: Seit den fünziger Jahren hat sich die Wochenarbeitszeit in der Bundesrepublik von 48 auf 38 Stunden verringert, ist im Buch "Freizeittrends 2000 plus" der DGF nachzulesen - das ist ein Zusammenschluss von in der Branche tätigen Firmen und Verbänden, der auch für die Bundesregierung Studien erstellt. Die bezahlten Urlaubstage haben sich seit 1950 von 12 auf 30 erhöht. Jedes Jahr geben private Haushalte mehr als 350 Milliarden Mark für Freizeitgestaltung aus.

Grund genug für die 280 Aussteller aus sieben Ländern, vom 2. bis zum 6. Februar ihre Angebote zur trendigen Zerstreuung auf der Freizeitausstellung Berlin zu präsentieren. Auch in diesem Jahr stammen die meisten Anbieter wieder aus der Branche "Wassersport / Hobby / Freizeit". Unter dem Dach der einstigen "Internationalen Bootsaustellung Berlin" sind inzwischen auch die Veranstalter der Schau "Fahrrad & Sport" und jene der "Golfmesse Berlin" vereint. Außerdem wurden die Anbieter von Caravaning, Camping und Reisemobilen mit ins Boot gebeten.

Denn die Bootsausstellung dümpelte vor allem mangels Kaufkraft in Berlin und Brandenburg nur noch im Kielwasser der großen Messe-Tanker Düsseldorf, Hamburg und Friedrichshafen. Damit heißt es 2000 entgültig: Die Bootsmesse Berlin ist tot, es lebe die Freizeitausstellung! "Der in fast allen Lebensbereichen feststellbare Trend zur Individualisierung sprengt auch die Grenzen traditioneller Sportdisziplinen", konstatierte Horst W. Opaschowski vom BAT-Freizeitforschungsinstitut anlässlich der "boot" in Düsseldorf. In den sechziger Jahren wurden 30 Sportarten gezählt, heute sind es über 240. Besonders beliebt seien Hobbys mit einem "Fun-Faktor" und dem "Nimbus des Abenteuerlichen", fasst Opaschowski das Ergebnis einer Befragung von 3000 Menschen über 14 Jahren Ende September 1999 zusammen. Und beschert uns einen weiteren Trendbegriff: Demnach werde Wassersport zum Flow-Erlebnis: "Ein Fließen und Schweben, bei dem Weg und Ziel eins werden." Unterdessen hält das wahre Leben offenbar noch größere Herausforderungen bereit, als sie Extremsportarten bieten: Rund 20 Prozent der Befragten im Alter von 14 bis 29 Jahren finden "Heiraten" bei weitem riskanter als "Hochseeangeln", "Surfen" oder "Rudern".

Wenn Mitarbeiter Yachten entern, Kanus steuern oder auf dem Boot in die Unendlichkeit hinaussegeln, sollte das dem BAT-Institut zufolge jedoch weder Chefs in Deutschland noch in Japan ängstigen: Wenn man sich am, auf und im Wasser vergnügt, so bekannten die Befragten, "lassen sich berufliche Stress-Situationen besser meistern".

Annette Kögel

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