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Berlin: Wenn Parteien Demokratie wagen

Die Debatte über Mitbestimmung der Basis bei der Kandidaten-Wahl

Parteireformen haben immer eine sichere Wirkung: Sie erhitzen die engagierte Mitgliedschaft mindestens so wie eine Programm-Debatte. Denn im Streit über die Aufstellung einer Landesliste oder das unmittelbare Wahlrecht der Mitglieder geht es um Macht – die Macht der Funktionsträger und den Einfluss der einfachen Mitglieder. Wie halten es die Berliner Parteien damit?

CDU: In mehreren Kreisverbänden gibt es Bemühungen, den Mitgliedern mehr Macht zu geben – „Basisdemokratie“ hieß das früher bei den Grünen. Zuletzt scheiterte das Vorhaben in Steglitz-Zehlendorf. Dort sprach sich am Freitagabend eine Mehrheit dagegen aus, dass die Mitglieder die bezirklichen Führungsämter direkt wählen können.

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FDP: Ebenso übel für die Reformer lief es bei den Liberalen am Sonntag: 344 Delegierte zerstritten sich furchtbar über die Frage, ob die Liberalen eine Landesliste für die Abgeordnetenhauswahl aufstellen sollten. Der Landesvorstand wollte das, zum ersten Mal wieder seit 1995. Damals scheiterten die Liberalen – seither halten ihre Bezirksmatadore die Listenaufstellung auf kommunaler Ebene hoch. Landeschef Markus Löning scheiterte an einer deutlichen Delegiertenmehrheit – die FDP bleibt bei der Kandidatenaufstellung bezirksorientiert. Auch die Liberalen sind von basisdemokratischen Tendenzen erfasst. Auf dem nächsten Parteitag wollen sie entscheiden, ob an den Wahlen der Bezirkskandidaten alle FDP-Mitglieder des Bezirks teilnehmen dürfen.

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SPD: Beinahe hätte der SPD-Bundesparteitag in Karlsruhe den Berliner Genossen die Landesliste zur Abgeordnetenhauswahl zwangsweise verordnet. Die Antragskommission schlug auf Seite 195 des dicken Antragsbuches vor, dass Wahlvorschläge für Landtagswahlen künftig von den Landesverbänden aufgestellt werden müssen. Die Berliner Delegierten bemühen sich nun darum, in den drohenden Beschluss eine „Lex Berlin“ einzuführen. Wohl mit Erfolg. Zumal die SPD- Kreisverbände schon fleißig ihre Kandidaten für die Abgeordnetenhauswahl 2006 nominieren. Der letzte Versuch, von Bezirkslisten auf eine Landesliste zu wechseln, war 2003 am Widerstand der meisten SPD-Kreisverbände gescheitert.

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Linkspartei/PDS: Zur letzten Abgeordnetenhauswahl trat sie mit einer Landesliste an, damit Spitzenkandidat Gregor Gysi in der ganzen Stadt wählbar war, wie Parteisprecher Hildebrandt sagt. In den Wahlen davor hatte man auf Bezirkslisten gesetzt, um der Basis eine größere Beteiligung zu geben. Für 2006 ist noch alles offen. Wegen der laufenden Verhandlungen mit der WASG über einen möglichengemeinsamen Wahlantritt will die Partei ihr Personal erst im Mai nominieren. Bis dahin will man errechnen lassen, welches Verfahren der Partei mehr Nutzen verspricht.

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Bündnis 90/Die Grünen: Nicht zu viel Macht für die Oberen, war lange das Credo. Rotation hieß das Zauberwort Anfang der 80er Jahre. Jedes halbe Jahr wurde der Fraktionsvorsitz ausgewechselt. Später gab es Quoten für Frauen, Ostdeutsche oder Neue. Heute ist die Partei frei von Strukturdebatten: Die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat ist 2002 gescheitert. Die Nominierung über Landeslisten wird nicht in Frage gestellt. Nur die Neuen-Quote soll am Sonnabend auf dem Parteitag novelliert werden: Demnach dürfen 18 Monate vor der Listenaufstellung zur Abgeordnetenhauswahl ein Drittel der Kandidaten keine Mitglieder in Parlamenten oder Regierungen gewesen sein. wvb./za/lvt/sib

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