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Berlin: Wer nicht räumen will, muss zahlen

Viele Hausbesitzer vergessen, Gehwege zu streuen. Dabei haften sie für Unfälle – wie Daimler am Potsdamer Platz

Seit Jahrzehnten müssen in Berlin Hauseigentümer im Winter den Gehweg räumen – doch dass die BSR nur die Fahrbahnen räumt, hat sich offensichtlich noch nicht herumgesprochen. Wer gestern Vormittag im winterlichen Berlin spazieren ging, schlitterte vielerorts herum, kein Körnchen Sand gestreut, nichts freigefegt. Gefährlich ist das nicht nur für gebrechliche und ältere Menschen: Wenn es zu einem Unfall auf dem Gehweg kommt, haftet der Grundstückseigentümer. Und die Schadenersatzforderungen können teuer werden.

Die Vorschriften sind eindeutig: Die Eigentümer sind grundsätzlich verpflichtet, den Schnee auf dem Gehweg vor ihrem Grundstück zu räumen und mit Streuen (nur Sand oder Splitt, Salz bleibt verboten) gegen Glätte vorzugehen – und zwar auf einem Meter Breite. Begonnen werden muss unmittelbar nach Ende des Schneefalls. Wenn es in der Nacht geschneit hat, müssen die Gehwege bis 7 Uhr geräumt sein, am Wochenende bis 9 Uhr . Hat der Hauseigentümer ein Räumunternehmen beauftragt und dies dem zuständigen „Amt für regionalisierte Ordnungsaufgaben“ mitgeteilt, ist er aus dem Schneider, wenn die Räumfirma nicht rechtzeitig kommt. Dann liegt die Haftung bei dem Unternehmen.

Nach Angaben des Amtes haben 120 000 Hauseigentümer die Schneeräumung an Unternehmen oder Hauswarte abgegeben. Bei einer besonderen Gefährdung der Fußgänger kann die Polizei ein Unternehmen beauftragen und die Kosten dem Eigentümer in Rechnung stellen. Im vergangenen Jahr geschah dies 33 Mal. 2003 gab es 256 Anzeigen gegen säumige Schneeräumer. Der Fußgängerverband „Fuss e.V.“ kritisierte, dass Hauseigentümer lieber teure Haftpflichtversicherungen zahlten, als zum Schneebesen zu greifen.

Für manche gelten Ausnahmen: Ganz legal darf die erst weiße und dann meist schmutzige Pracht auf insgesamt 1500 Abschnitten liegen bleiben. Anwohner können sich von der Reinigungspflicht befreien lassen, wenn das Entfernen von Schnee oder Eis eine „unbillige Härte“ darstellt. Dies gilt unter anderem bei groben Unebenheiten, bei einem wuchernden Bewuchs oder bei freiliegenden Wurzeln. Dann reicht es, ein Schild „Betreten bei Schnee und Eis auf eigene Gefahr“ aufzustellen. In der Vergangenheit waren die Behörden recht großzügig bei den Befreiungen, die alle drei Jahre überprüft werden. Allein die BSR hat sich in rund 250 Fällen befreien lassen. Nach massiver Kritik sind inzwischen mehrere Befreiungen zurückgenommen worden.

Ein Problemfall in Sachen Glätte bleibt der S-Bahnhof Potsdamer Platz. Gestern konnte man wieder einmal bis zur Rolltreppe an den Aufgängen zur S-Bahn-Passage rutschen. Sobald es regnet oder schneit, werden die Riffelbleche vor den Rolltreppen eisglatt. Und das wird sich wohl auch in Zukunft nicht ändern. Denn alle Möglichkeiten, den Übergang zu sichern, sind entweder zu teuer oder nicht erlaubt. Salz streuen dürfe die BSR lediglich auf der Straße, und eine größere Überdachung vor den Rolltreppen müsste zunächst einmal genehmigt werden. Splitt kann nicht benutzt werden, weil die Steinchen ins Getriebe der Rolltreppe fallen und die Maschine dadurch beschädigen.

Dennoch ist Daimler-Chrysler als Eigentümer für die Glättebeseitigung verantwortlich. Wenn jemand stürzt, haftet also Daimler. Einstweilen wird dreimal am Tag an den Aufgängen geputzt oder geräumt, so Sprecher Mark Münzing. Die Riffelbleche wischt der Hausmeister extra noch einmal nach. „Dann sind sie für eine gewisse überschaubare Zeit nicht rutschig.“ Doch zwischen den drei Touren um halb sieben, mittags und am späten Nachmittag schneit oder regnet es eben auch. Dann wird der Weg zur Rolltreppe wieder zur Schlitterpartie. Die Auffahrt zur Tiefgarage am Potsdamer Platz wird übrigens geheizt. „Für die Rolltreppe wäre das viel zu teuer“, sagt Mark Münzing. Ha/cof

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