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Berlin: „Wer, wie, was… Wer nicht guckt, bleibt dumm“

Ernie, Bert und das Kekse futternde Krümelmonster sind seit 30 Jahren Stammgäste in den Kinderzimmern dieser Welt. Die Sesamstraße feiert Jubiläum mit einer großen Party im Ostbahnhof. Berliner Prominente erinnern sich an ihre Lieblingsfiguren

Die Sesamstraße feiert Jubiläum. Am heutigen Sonntag von 11 bis 18 Uhr laden die Stars der Kindersendung zum Familienfest in den Ostbahnhof (Eintritt frei). Das wird nicht nur die Drei bis Fünfjährigen erfreuen, auch mancher Erwachsene dürfte beim Wiedersehen mit Ernie und Bert, Samson und Tiffy in nostalgischen Erinnerungen schwelgen. Acht Prominente erinnern sich.

Von Ernie und Bert lernte Özcan Mutlu (35) seine ersten deutschen Worte. „Nachdem ich 1973 aus der Türkei nach Berlin gekommen bin, war die Sendung mein ständiger Begleiter“, erinnert sich Mutlu. Der Ingenieur ist heute bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. „Damals saß ich zusammen mit meinem Bruder jeden Vormittag vor dem Fernseher bei meiner Oma und lernte mit der Sesamstraße Buchstaben und Zahlen. Seine Lieblingsfigur ist Ernie: „Der hat ständig gefragt und nachgehakt bei Dingen, die er nicht verstand – wie ich.“ Und noch eine Parallele verband den kleinen Özcan mit der knollennasigen Handpuppe: „Er war im Verhältnis zu Bert immer der Kleine – damit konnte ich mich als Kind sehr gut identifizieren.“ lvt

Manfred Krugs wichtigste Erinnerung an die Sesamstraße? „Dass ich damals 25 Jahre jünger und 15 Kilo leichter war“, sagt der Schauspieler. Er trat in den frühen 70er Jahren gemeinsam mit Liselotte Pulver in den deutschen Spielszenen auf, die sich mit amerikanischen Puppen-Episoden abwechselten. „Liselotte Pulver las vor dem Drehen immer die Bildzeitung, so dass sie unser Team jeden Morgen über die garantiert unwichtigsten Tagesereignisse unterrichten konnte“, erinnert sich Krug amüsiert. Seine Lieblingsfigur war damals die Schnecke: „Die war langsam genug, um sie nicht aus den Augen zu verlieren.“ Die Arbeit für Kinder machte ihm immer Spaß, sagt er: „So konnte ich diese sensible Bevölkerungsgruppe rechtzeitig auf mich vorbereiten.“lvt

Gayle Tufts ist bis heute ein großer Fan der Sesamstraße. „Gerade gestern habe ich im Hotel wieder eine Episode geguckt, das gibt mir Trost in harten Zeiten“, sagt die deutsch-amerikanische Entertainerin, die derzeit auf Deutschlandtournee ist. „Ich liebe die neuen Figuren Wolle und Pferd: Das ist die beste Comedy, die ich seit Jahren im deutschen Fernsehen gesehen habe.“ Für Tufts, die vor ihrem Umzug nach Berlin in New York als Erzieherin und als Au-Pair gearbeitet hat, ist die Sesamstraße „ein guter, alter Freund“: „Da konnte man auch mal die Kinder unbesorgt 40 Minuten lang vor dem Fernseher sitzen lassen, ohne Angst zu haben, dass sie etwas Falsches gucken.“ Auch war es eine der ersten Sendungen im US-Fernsehen, wo ganz selbstverständlich Schwarze und Asiaten neben weißen Schauspielern auftraten. Besonders gerne guckt Gayle Tufts bis heute die „Sesame Street“ im amerikanischen Original: Sie liebt die Begleitmusik des Komponisten Joe Raposo, die das deutsche Publikum nie kennen gelernt hat. „Die Sesamstraße ist eines der wenigen Dinge, auf die ich als Amerikanerin uneingeschränkt stolz bin.“ lvt

Die Lieblingsfigur von Monika Grütters war das Krümelmonster. „Das war herrlich verrückt – und seine Leidenschaft für Kekse ist etwas, das ich immer noch mit ihm teile“. Grütters ist heute kulturpolitische Sprecherin der CDU im Abgeordnetenhaus. Als die Sesamstraße erstmals lief, war sie elf Jahre alt: „Eine Zeit lang habe ich sie regelmäßig gesehen, aber dann mit 13 habe ich mich mehr für Winnetou begeistert.“ Dennoch schaut Monika Grütters auch heute noch hin und wieder, zusammen mit ihren sieben Neffen, was Ernie und Bert so treiben. Denen schenkte sie eine Ernie-Handpuppe, die sie auf dem Kunsthandwerksmarkt an der Straße des 17. Juni entdeckt hat. lvt

Bis heute geht Thomas Anders die Melodie nicht aus dem Kopf, die er als Kind so mochte: „Manna Manna, dibduh, didudu“, stimmt der Sänger von Modern Talking an und erinnert sich dann lachend an die zotteligen Figuren, die den Ohrwurm damals in der Sesamstraße zum Besten gaben. „Das ist bis heute ein Klassiker.“ Als die bunte Truppe aus Amerika zum ersten Mal in Deutschland lief, hieß Thomas Anders noch Bernd Weidung und war gerade zehn Jahre alt geworden. “ Seine Lieblingsfigur war Samson: „Ein Monster, aber ein gemütliches, das wuschelig aussieht.“ In Zukunft wird Thomas Anders öfter Sesamstraße sehen. Vor neun Monaten brachte seine Frau Claudia den gemeinsamen Sohn Alexander Mick zur Welt. „Ein, zwei Jahre noch, dann schaue ich mir die Sendung mit ihm zusammen an.“lvt

So wichtig Hans-Georg Barber die Sesamstraße in seiner Jugend war, so schwierig war es, sie zu sehen: „Bei uns konnten wir sie nur vormittags empfangen, und das Bild war immer schwarz-weiß und krisselig“, erinnert sich der Künstler, der als Pop-Art-Maler und Comiczeichner unter dem Pseudonym Atak bekannt geworden ist. Barber stammt aus Frankfurt (Oder) und lebt heute in Prenzlauer Berg. Er war sechs Jahre alt, als die Sesamstraße nach Deutschland kam. Seitdem schaute er sie, so oft er konnte. „Dieser Humor und die Idee, dass auch Monster pädagogische Sachen machen können, das gefiel mir sehr.“ Seine Lieblingsfiguren waren der tragische Held Grobi, mit dem er Mitleid hatte, der Frosch Kermit und vor allem Graf Zahl: „Der war am coolsten.“ Tiffy und Samson hingegen regten Hans-Georg Barber nur auf: „Diese zusammengeschusterte, dürftige Handlung hat mich immer genervt.“ lvt

Fast hätte er das Krümelmonster sprechen können. „Zum Vorsprechen bin ich damals nach Hamburg gefahren“, erinnert sich der Schauspieler Jürgen Kluckert, der seit zehn Jahren die Rolle des Benjamin Blümchen spricht und aktuell als der gutmütige Bär Balu im neuen „Dschungelbuch“ zu hören ist. „Leider hat es damals aber mit der Sesamstraße nicht geklappt.“ Mit seinen Kindern hat der 59-Jährige die Kindersendung dann trotzdem geguckt – „obwohl natürlich mehr Benjamin Blümchen auf dem Programm stand.“ Für Kluckert ist die Sesamstraße eine „wunderbare Sendung“, der er noch 300 weitere Jahre wünscht. Sollte man ihm die Rollen heute noch einmal anbieten: „Ich stehe zur Verfügung! Egal, für welchen Part.“ ana

Seine erste Begegnung mit der Sendung hatte Stefan Liebich als er 18 war. „Ich studierte an der TFH in Wedding, da sangen eines Tages die Kommilitonen ’Wer, wie, was…’ – und ich verstand gar nicht, was die meinten. Der heutige Chef der Berliner PDS kommt aus einem Ost-Berliner Haushalt, in dem die Sesamstraße tabu war: „Als ordentliche DDR–Bürger haben wir kein Westfernsehen geguckt“, sagt Liebich. „Ich war auch mit Pittiplatsch und Schnatterinchen ganz zufrieden.“ Der Kobold und die Ente brachten den Kindern der DDR Buchstaben und Zahlen ähnlich spielerisch nahe, wie die Figuren aus der Sesamstraße. lvt

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