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Berlin: Wie einst in Mitte

Neue Kreuzberger Nächte: Von der Szenekneipe in den illegalen Club

Wo immer der StahlCellist Bob Rutman auftritt, gibt der Berliner Untergrundkünstler den Locations höhere Weihen. Seine Bühnen müssen magisch sein. Am Freitag karrt der Künstler seine riesigen Stahl-Instrumente in den „Avastar“.

In dem Kreuzberger Wohnzimmer-Club, Nostitz- Ecke Gneisenaustraße, tut sich seit einiger Zeit vieles. Es kann passieren, dass eines Abends hunderte Nachtschwärmer einfallen und sich einen „Cocktail to go“ für den Weg zur nächsten Party mitnehmen. Die Eingeweihten, eingefleischte Mitte-Gänger, ziehen dann zu ihren DJs in ein leer stehendes Haus in der Nähe zu einer illegalen Sause. Wie früher in Mitte. Die Adresse erfährt nur, wer mit Eingeweihten ins Gespräch kommt.

Wirt Alex Ramesh Grover führt seinen Club unkonventionell: Er überlässt seinen Gästen das Programm. „Weil ich sehr faul bin“, sagt der 32-Jährige, „habe ich alles delegiert.“ So übernahmen nach und nach Stammgäste die Schichten an Plattentellern und Tresen. Der Avastar wuchs aus sich selbst heraus. Möbliert mit dem üblichen Gerümpel aus Polstern und Podesten, bietet die Kreativ-Kneipe Nachwuchs-DJs Nacht für Nacht Gelegenheit zum Auflegen. Stilrichtung: alle Spielarten der elektronischen Musik. Andere Gäste bringen ihre Videos mit, zeigen ihre Visuals.

Der Schweizer Ton-Ingenieur Sid mixt montags nicht nur „Wodka vergurkt“ (Ginger Ale, Wodka, Salatgurke, Limette), er untermalt die DJ-Sounds mit dem Gezirpe seines Theremins, eines elektronischen Instruments, das auch Ätherwellengeige heißt. Wenn er musiziert, versorgt die Koreanerin Dschi aushilfsweise die Gäste mit „China Martini“, dem Jägermeister der Avastar-Szene.

Auch wenn die Mitte-Partygänger den Avastar entdeckt haben, will der Wirt „alles, nur keine Szene-Kneipe“ haben. „Mir ist egal, wie die Leute gekleidet sind, Hauptsache sie sind menschlich okay.“ So fand er lauter Mitarbeiter, die seinen Laden schmeißen und denen er vertraut. Sein Vater, Sudhir, zählt zu den Köpfen der indischen Community Berlins, seine Mutter ist Deutsche und stammt aus Ostfriesland.

Auch tagsüber ist im Avastar Betrieb. Da werden Stühle und Sofas aufs Nostitz-Trottoir geräumt, während drinnen schon einmal der nächste Künstler probt. Der Wirt brütet derweil über neue Ideen. Ein Wasserfest möchte er gern veranstalten, wie in Indien. Die Bilder von Bombay aus Kindertagen vergisst er nie. Doch bevor er den Ganges an die Spree holt, lockt er die Mitte nach Kreuzberg. Der Avastar wächst. schirm

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