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Ei, Pferdchen. Diese Mädchen machen auf dem Moritzhof beim Reitkurs mit. Und Streicheln gehört natürlich auch dazu.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berlin: Wie Ferien auf dem Bauernhof

Auf Jugendfarmen wie im Mauerpark in Prenzlauer Berg können Kinder nicht nur Tiere betreuen Nebenbei wird ihnen rund ums Jahr soziale Kompetenz vermittelt

„Das Wichtigste ist Reiten“, ruft Sandra und läuft zu der kleinen Koppel, auf der die Ponys Benni und Alex stehen. Das ist bei allen Kindern der Jugendfarm Moritzhof in Prenzlauer Berg gleichermaßen beliebt. So sehr, dass Erzieher Stephan Metzner ein Punktesystem einführen musste: „Wenn die Kinder bei uns reiten wollen, müssen sie sich das verdienen. Für die Arbeiten hier gibt es Punkte.“ Die meisten Arbeiten erledigen die Kinder gerne. „Aber so werden auch mal Arbeiten gemacht, die unbeliebt sind“, hofft Metzner. Pferdeäpfel wegmachen findet die neunjährige Sandra nicht so toll, „ich weiß nicht, ob ich das noch mal mache.“

Andere Kinder haben damit keine Probleme: „Die Punktearbeit macht Spaß, man übernimmt dabei auch Verantwortung“, sagt Mila, die zum zweiten Mal dabei ist. Sie kennt das Punktesystem auch von zu Hause. „Ich wünsche mir ein Meerschweinchen, dafür muss ich auch Punkte sammeln.“

Neben Pferden gibt es auf der Moritzfarm viele andere Tiere. Die Kinder versorgen Ziegen, Schafe, Schweine, Hühner, Kaninchen, Meerschweinchen und lernen dabei verantwortungsvollen Umgang mit Tieren. „Jedes Tier hat eine Geschichte“, erklärt Metzner, „die Ziege Max wurde von der Polizei auf dem Gleisdreieck gefangen, nachdem sie eine Woche durch Berlin rannte.“ Schwein Peppi brachte ein Punk vorbei, der irrtümlich annahm, es handle sich bei Peppi um ein wohnungstaugliches Mini-Pig. Heute wird das stattliche Schwein von den Kindern im Mauerpark spazieren geführt. Nicht alle Schenkungen können angenommen werden. „Wir müssen pro Woche zehn Kaninchen und Meerschweinchen ablehnen“, sagt Metzner. Die Halter bekämen nach ein paar Wochen oft urplötzlich Allergien, vor allem nach der Schenkungswelle zu Ostern und Weihnachten.

Der Moritzhof wurde 1999 errichtet und ist eine öffentliche Einrichtung für Kinder zwischen sechs und 16. Rund 50 Stammkinder gibt es. Sie kommen mindestens zwei Mal pro Woche, die anderen kommen in den Ferien oder sporadisch vorbei. Hier lernen die Kleinen von den Großen und manchmal auch umgekehrt. Auch interkulturelle Begegnungen im Stall sind keine Seltenheit. „Bei manchen Jungs muss ich in den Stall hinterhergehen, weil sie zuerst die Schweine anspucken. Für arabischstämmige Jungs beispielsweise sind Schweine ja unrein“, erzählt Stephan Metzner. „Dann reden wir darüber. Manch einer hat sie danach sogar gestreichelt.“

Nicht nur Stallarbeit steht hier auf dem Programm: Auch Schmieden, Spinnen, Töpfern und Hausaufgabenbetreuung wird den Kindern kostenlos geboten. Heute werden „Pferde-Basics“ unterrichtet. In drei Theoriestunden erklärt Erzieher Karsten Reinknecht alles rund ums Pferd. Seline, Sandra, Mila und Miri schauen ihm gespannt zu, als er auf dem Heuboden mit viel Einsatz die Körpersprache der Pferde nachahmt und erklärt. Die Mädchen lachen. So hören auch Sechsjährige konzentriert zu. Dann geht es auf die Koppel. Die elfjährige Miri zeigt den anderen souverän, wie man einen Halfter anlegt und das Pony vom Heu weglotst.

„Manche Kinder haben kaum Kontakt mit Tieren, höchstens unliebsamen mit Kampfhunden aus der Nachbarschaft. Tierkontakt ist aber wichtig, um ein Gefühl für sich selbst zu bekommen“, sagt Reinknecht. Die Kinder nehmen ein eigenes positives Selbstbild mit, „durch das Gefühl, ich kann mich um etwas kümmern.“ Zum Schluss dürfen die Kaninchen gestreichelt werden und die Kinder freuen sich, am nächsten Tag ihre erworbenen Punkte beim Reiten einzulösen.

Jugendfarm Moritzhof, Schwedter Straße 90, Prenzlauer Berg, Infos unter: www.jugendfarm-moritzhof.de

Alina Stiegler

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