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Berlin: Wie wir Hauptstadt werden

von Klaus Wowereit Regierender Bürgermeister von Berlin

Hauptstadt sind wir erst dann, wenn nicht mehr darüber geredet werden muss. Bis diese Selbstverständlichkeit erreicht ist, werden noch viele Worte gemacht werden müssen. Seit jenem 20. Juni 1991, als der Bundestag mit viel zu knapper Mehrheit beschloss, Berlin wieder in seine Rechte als Bundeshauptstadt einzusetzen, hat sich schon viel bewegt. Heute würde eine Abstimmung viel klarer und deutlicher ausfallen. Nicht zuletzt deshalb, weil alle Argumente für Berlin ihre Kraft auch bei denen entfaltet haben, die 1991 noch anders abgestimmt haben. Seit die Bundesorgane 1999 ihre Arbeit hier aufgenommen haben, hat sich die Einstellung der Politik zu Berlin verändert. Nicht nur, dass Regierung und Parlament Berlin als Stadt positiv aufgenommen haben. Die Politik hat erkannt, dass Berlin der gewachsenen Rolle unseres Landes einfach besser entspricht – historisch, geographisch und kulturell. Berlin hat der Politik gut getan und umgekehrt die Politik Berlin.

Damit allerdings ist erst ein Etappenziel erreicht. Noch immer gibt es Defizite im Hauptstadtbewusstsein der Deutschen. Wir sind noch nicht so selbstverständlich Hauptstadt wie das London, Paris, Prag oder Moskau für ihre Länder sind. Deutlich wird das z.B. anlässlich der Vorbereitung der FußballWM. München tritt um das Internationale Pressezentrum und um die kulturelle Eröffnungsfeier mit uns in einen Städtewettstreit ein, als ginge es um die Bundesgartenschau. Das hätte Marseille mit Paris nie gemacht, bei aller sonstigen Rivalität.

Wir Berliner sollten das nicht bejammern, sondern als Befund des Augenblicks analysieren und uns beharrlich, aber auch mit der nötigen Gelassenheit um Änderung bemühen. Hauptstadtwerbung ist allerdings etwas grundlegend anderes als Berlin-Marketing. Deswegen sind wir gut beraten, den Bewusstseinswandel nicht im Stile eines Werbetrommlers zu betreiben. Gewiss, wir müssen präsent sein, wenn es um Interessen Berlins geht und uns immer wieder anbieten, wenn neue Behörden oder Organisationen ihren Sitz in Berlin nehmen wollen. Das geschieht ja auch effizient und geräuschlos, etwa im Vorfeld der Umzugs-Entscheidung des BND.

Das Entscheidende aber ist der Bewusstseinswandel in den anderen Teilen des Landes. Wir sind dann am Ziel, wenn die Bayern stolz auf München, aber auch auf Berlin sind, wenn die Rostocker und Stuttgarter Berlin auch als ihre Hauptstadt begreifen. Wir sind bereits auf einem guten Weg dazu und die Erfahrung zeigt: Der ökumenische Kirchentag im vergangenen Jahr, jeder Besucher der Reichstagskuppel, jeder Gast bei Love-Parade und Silvesterparty – all das trägt dazu bei, aber dieses Umdenken braucht Zeit.

Was kann Berlin dafür tun? Sicherlich ein guter „Dienstleister“ für die Hauptstadtfunktionen sein, aber von innen heraus braucht es so etwas wie eine Berlin-Identität aller gesellschaftlichen Kräfte der Stadt. Das bedeutet demonstrativ gezeigte Einigkeit in allen Fragen der Hauptstadt durch Berliner Wirtschaft, Medien und Politik. In Unternehmen nennt man so etwas „Corporate Identity“, ein vergleichbares Bewusstsein ist von allen Akteuren, die in und für Berlin arbeiten, vor allem nach außen klar zu artikulieren.

Was wir zudem brauchen, ist die Zustimmung Dritter. Dass wir Berliner von Berlin als Hauptstadt angetan sind, wundert niemanden, aber wenn Dritte das von und für uns sagen, dann hilft es ungemein. Ein Beispiel dafür ist das Bekenntnis des Springer-Verlages zu Berlin als Hauptstadt mit dem Umzug der Unternehmensleitung von Hamburg hierher.

Insofern ist auch die Unterstützung des Bundespräsidenten für das Hauptstadt- Thema in der Föderalismus-Kommission eminent wichtig. Hätten wir selbst das Thema auf die Tagesordnung gesetzt, könnte es längst nicht so erfolgversprechend diskutiert werden wie jetzt, wo es der Bundespräsident zu seinem Anliegen gemacht hat.

Das Thema gehört dort hin, weil die Hauptstadt sich im Verhältnis zum Föderalismus und den Organen der Bundes definieren muss. Das ist im Übrigen weit mehr als die Regelung von finanziellen Fragen. Auch die sind natürlich von Bedeutung, aber der Rang der Hauptstadt im Denken der Deutschen ist politisch zu erarbeiten. Es geht um einen Aneignungsprozess und darum, dass sich die Länder mit Berlin als politischem Zentrum des Landes auseinander setzen. Das bedeutet, den Status der Hauptstadt nicht nur zu akzeptieren, sondern den Wert einer Hauptstadt für das gesamte Land zu erkennen und aktiv zu fördern. Wenn dies geschieht, sind wir am Ziel und der Begriff von der Berliner Republik bekommt eine wichtige inhaltliche Füllung.

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