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Berlin: Willi Menning (Geb. 1913)

Beruflich hatte er Glück: Er kam in die Abteilung Brandschutz

Von David Ensikat

Am 29. März 2014 gegen elf kam die Feuerwehr mit dröhnender Sirene in die kleine Dingelstädter Straße in Hohenschönhausen. Zwei LHF – kein Mann von der „Wehr“ würde „Lösch-Hilfeleistungsfahrzeug“ sagen und „Feuerwehrauto“ schon gar nicht – zwei LHF also fuhren im Schritttempo an den niedrigen Häusern vorbei, vorneweg marschierten zwölf Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr im nicht ganz gleichen Schritt, dafür in Uniform. Einer trug die Ehrenfahne, einer rief, als sie vorm Haus von Willi Menning angekommen waren: „Ehrenabteilung halt!“ und „Ehrenabteilung links um!“ Willi Menning war herausgekommen, stand leicht gebeugt auf dem Gehweg und erwartete die Gratulanten. Der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbandes trat hervor, schüttelte Willi Mennings Hand und überreichte ihm die Urkunde, die bezeugte, dass Willi Menning an seinem 101. Geburtstag vom einfachen Mitglied zum Ehrenmitglied des Verbandes befördert worden war. Außerdem erhielt er ein dekoratives Stück Feuerwehrschlauch, auf dem sein Name stand.

Dann fragte einer wie in jedem Jahr: „Na Willi, ’ne Runde im LHF?“, Willi willigte ein wie in jedem Jahr, dann zogen sie ihm die viel zu große feuerfeste Einsatzjacke über, setzten ihm den Helm auf den Kopf, halfen ihm ins Auto und machten – mit Blaulicht selbstverständlich – die Tour durch Hohenschönhausen, wo Willi Menning in den vergangenen 80 Jahren viele, viele Brände und deren erfolgreiche Bekämpfung hat erleben dürfen.

Sein älterer Bruder hatte ihn 1937 zur Feuerwehr geholt. Leider bestand Willi nicht den Gesundheitstest und durfte kein berufsmäßiger, sondern nur freiwilliger Feuerwehrmann werden. Für den hauptamtlichen Dienst bei der Wehrmacht war er gesund genug, er kam zur Infanterie, nach Stalingrad, in die Gefangenschaft und 1950 zurück nach Hause, Hohenschönhausen, wo Stück für Stück die Freiwillige Feuerwehr wieder aufgebaut wurde – und Willi immer mittenmang, freiwillig wie ehedem.

Beruflich hatte er Glück: Beim Rat des Stadtbezirks erhielt er eine Anstellung in der Abteilung Brandschutz. Er war für die Kleiderkammer und die Ausrüstung seiner Kameraden von der „Wehr“ zuständig . Und weil er sich gut auskannte und bald der längstgediente Freiwillige war, durfte er bei der Ausbildung des Nachwuchses aushelfen.

Wenn die Sirene ging, und Willi Menning zum Einsatz musste, schwang er sich aufs Rad und fuhr die drei Kilometer bis zur Wache, so schnell er konnte. Er konnte schnell, weil er trainierte. Oft sah man ihn mit Sandsäcken auf dem Gepäckträger seines Mifa-Rades durch die Gegend fahren. Seine Urlaubstouren quer durch den Ostblock absolvierte er auf dem Dienstrad.

Als er längst keinen Schlauch mehr halten konnte, kam er immer noch zu den Einsätzen. Willi besorgte sich ein Empfangsgerät und hörte den Einsatzfunk der Feuerwehr ab. Wenn seine Hohenschönhausener ausrückten, fuhr er hin, wenn nicht mit dem Fahrrad, dann mit der Straßenbahn. Als die digitalen Geräte eingeführt wurden, die die Einsatzorte übertrugen, bekam er eins davon. Er konnte immerhin noch auf die Fahrzeuge aufpassen, wenn alle Feuerwehrleute am Löschen waren.

Zu den monatlichen Dienstbesprechungen kam er, bis er 96 war. Da sagte er nicht viel, und wenn doch, so heißt es, nur Qualifiziertes. Dann musste er mal ins Krankenhaus wegen seiner Zuckerwerte und sollte danach etwas kürzer treten.

Das wird ihm nicht leicht gefallen sein, denn die Feuerwehr war nun mal sein Leben. Man kann sich vorstellen, wie es folglich in seiner Wohnung ausgesehen haben muss. Seine Frau, die von der Feuerwehr nicht so viel hielt, ist vor langer Zeit gestorben; Willi Menning musste weder Urkunden noch Pokale wegschmeißen, die ihm seine Kameraden Jahr für Jahr an seinen hohen Geburtstagen überreichten. Er bekam auch mal einen Helm mit den Unterschriften aller Kameraden drauf. Und seine Feuerwehrmann-Uniform hat er sowieso nie abgegeben.

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