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Berlin: „Wir demokratisieren den Luxus“

Geschäftsführer Patrice Wagner beschreibt, warum sich das KaDeWe neu erfinden muss

Wie westlich ist das KaDeWe?

Das KaDeWe war früher eindeutig westlich. Aber wir werben heute auch im Osten der Stadt. Viele unserer Kunden kommen aus Mitte, denn durch die neue Positionierung ist das KaDeWe jünger geworden. West oder Ost spielen keine große Rolle mehr. Wir gehören zu Berlin. Früher hat man uns gesagt, wir seien das Kaufhaus für Wilmersdorfer Witwen. Das hören wir jetzt nicht mehr.

Könnte es ein Ost-Berliner KaDeWe geben? Ist das nicht nahe liegender als eine internationale Expansion des KaDeWe, wie sie Thomas Middelhoff vorschwebt?

Ich bin froh, dass unser Vorstandsvorsitzender sich innovativen Zukunftsthemen widmet. Ich habe das nicht zu kommentieren. Ein KaDeO ist nicht geplant. Wir haben hier viel Arbeit vor uns. Aber wir freuen uns, wenn wir helfen können. Deswegen haben wir die Unterstützung beim Einkauf des gerade neu eröffneten Alsterhauses in Hamburg übernommen.

Können die beiden Zentren Berlins – Ost und West – nebeneinander bestehen?

Ich hoffe, dass beide erfolgreich bleiben. Wenn Sie sich andere Städte ansehen, sind mehrere Zentren nicht ungewöhnlich. Ich rede jetzt nicht anders, als ich noch in der Friedrichstraße war. Ich finde es toll, dass es Galeries Lafayette in Berlin gibt. Konkurrenz belebt das Geschäft, am Ende haben wir alle etwas davon.

Kann man nur mit Luxus im Einzelhandel besonders erfolgreich sein?

Eindeutig nein. Vertikale Konzepte wie H&M haben große Erfolge. Unser Konzept will ich gerne erklären. Wir wollen internationaler werden, wir positionieren das KaDeWe in der internationalen Champions League, in der Harrods, Galeries Lafayette, Selfridges und Harvey Nichols vertreten sind. Die haben alle einen gemeinsamen Nenner: Luxus. Aber sie haben nicht auf der ganzen Fläche nur Luxus.

Sind Sie vor oder hinter Harrods?

Wir holen auf. Im Erdgeschoss und der ersten, zweiten und halben dritten Etage haben wir das Level erreicht.

Paris und London sind wohlhabender als Berlin. Ist Ihr Konzept nicht sehr riskant?

Wenn wir 60 000 Quadratmeter nur mit Luxus füllen würden, würde ich Ihnen Recht geben. Aber da wir nur zehn bis 15 Prozent so positionieren, haben wir große Möglichkeiten, die Kunden anzusprechen, die nicht vordergründig Luxusprodukte suchen, die sich aber etwas leisten wollen, vielleicht weil es seit Jahren nur düstere Schlagzeilen in Deutschland gibt. Wir demokratisieren den Luxus. Die Hemmschwelle für solche Kunden ist bei uns deutlich geringer als in einer einzelnen Boutique. Und es funktioniert. Wir haben so hervorragende Zuwächse, dass ich überhaupt keinen Zweifel daran habe.

Wenn Luxus nicht das einzige Merkmal ist, wie soll man das KaDeWe sehen?

Wir konzentrieren uns auf Kernkompetenzen. Wir müssen in jedem Segment die Nummer eins in Deutschland sein oder den Anspruch haben, es zu werden. Nicht mehr alles unter einem Dach, aber vieles. Von manchen Bereichen müssen wir uns trennen. Ein Beispiel ist die Sportabteilung, die 1800 Quadratmeter hatte. Das ist nicht sehr groß. Wir haben uns gefragt, was können wir im Sport erreichen? Wir hätten mindestens eine komplette Etage machen müssen. Ganz in der Nähe haben wir eine erfolgreiche Schwester, das Karstadt-Sporthaus. Deswegen haben wir den Sport geopfert, um den Fashion-Etagen mehr Raum zu geben.

Nicht mehr alles unter einem Dach – verkaufen Sie künftig immer noch Kurzwaren?

Die entwickeln sich sehr erfolgreich.

Kurzwaren sind doch weder Luxus noch international noch Marktführerschaft.

Aber der Bedarf ist da. Das sehen wir an den Umsätzen. Wir müssen allerdings modernisieren, dort wie überall. Und modischer werden. Das Modische soll die Brücke zu den Jüngeren sein.

Das müssen Sie erklären.

Sie fragen sich vielleicht, was das für ein Konzept ist, bei dem man so viel erklären muss. Genauso wenig wie wir nur Luxus anbieten, werden wir zu einem Kaufhaus für Teenager. Das würde nicht funktionieren, es gibt ja immer weniger Kinder. Aber die älteren Kunden sind im Kopf jünger als früher. Meine Eltern sind um die 60 und kaufen anders ein als meine Großeltern. Ich hoffe, das kann ich auch einmal von mir sagen. Unsere Kernzielgruppe bleibt zwar 35 aufwärts. Aber die reifere Generation hat Zeit und Geld, die sind gesund und wollen vom Leben etwas haben – die wollen so einkaufen, wie sie sind.

Die Feinschmeckeretage bleibt?

Ja klar, das ist die Etage, die jeder kennt. Deswegen ist es an der Zeit, dass wir die anderen Etagen auf dieses Level bringen. Auch die siebte Etage, den Wintergarten, machen wir komplett neu.

Drei Jahre einkaufen auf einer Baustelle.

Stimmt, das ist eine Zumutung. Wir machen das nicht, um unsere Kunden zu ärgern. Das Ziel ist, besser zu werden. Wie man in Frankreich sagt: Man macht kein Omelett, um Eier zu zerbrechen. Wir müssen uns grundsätzlich verändern, und das geht nicht ohne neue Decken, neue Wände, neue Shops, neue Marken.

Vor der WM ist der Umbau nicht fertig?

Nein. 70 Prozent des Hauses werden fertig sein. Wir arbeiten auf ein Ziel hin: unser100-jähriges Jubiläum im Jahr 2007.

Was wären Ihre Lieblingsöffnungszeiten?

Unter der Woche von 10 bis 20 Uhr wie jetzt. Ich wünsche mir Flexibilität für Sonderthemen: die WM, manche Sonntage.

Dass bei Ihnen sonntags nicht mehr geht, liegt aber auch an Ihrem Betriebsrat.

Daher freue ich mich, dass wir am 2. Oktober öffnen werden. Das ist sensationell, ein positives Signal auch des Betriebsrats.

Wo gehen Sie selbst am allerliebsten einkaufen, wenn wir Berlin außen vor lassen?

In New York nicht, New York ist in die Jahre gekommen. London ist spannend. Wenn Sie heute neue Konzepte im Einzelhandel ansehen wollen, gehen Sie nach London. Dort sind die Läden, die am mutigsten sind, die Trends setzen. Von London schwappt das nach Frankreich und inzwischen auch nach Deutschland. Nach dem KaDeWe kommt für mich London.

Das Interview führten Lorenz Maroldt und Moritz Döbler

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