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Berlin: „Wir müssen der Verwahrlosung die Stirn bieten“

Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky über die Probleme seines Bezirks – und darüber, was man dagegen tun kann

Herr Buschkowsky, Ihr Bezirk ist für die Polizei das Sorgenkind Nummer eins.

Ich mache das mal an Schlaglichtern klar: NeuköllnNord hat den höchsten Anteil von Menschen, die unter der Armutsgrenze von 606 Euro leben, nämlich 35 Prozent. Die Arbeitslosigkeit liegt zwischen 35 und 40 Prozent. Etwa 25 Prozent beziehen Sozialhilfe – der Bundesdurchschnitt liegt bei drei Prozent, der Berliner Schnitt bei sieben. Dazu haben wir die meisten jungen Menschen ohne Schulabschluss. Der soziale Sprengstoff, der sich hier sammelt, hat erhebliche Dynamik.

Und die Integrierten ziehen weg?

Genau. Weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder in Klassen mit 100 Prozent Migrantenanteil gehen. Weil es nicht geht, dass Kinder auf dem Schulweg erpresst werden oder Schutzgeld auf dem Spielplatz bezahlen müssen, um die Rutsche zu benutzen. Auf so etwas reagieren die Menschen sensibel. Da denkt übrigens die türkische Mutter nicht anders als die deutsche. Nachziehen tut in Neukölln-Nord die deutsche Multiproblemfamilie, die in dritter Generation vom Sozialamt lebt. Oder es ziehen ganz frische Migranten zu, zum Beispiel die eingeflogenen Bräute, mit denen sich junge Männer hier verheiraten. Die haben in ihrem Leben noch nie eine U-Bahn gesehen, sind oft Analphabeten, kriegen dann Kinder, wie sollen sie denen mitteleuropäische Werte vermitteln?

Was schlagen Sie vor?

Drei Dinge. Maßnahme Nummer eins ist: in die Kinder und Jugendlichen investieren, um die Nachwuchsrekrutierung der schwachen Schichten zu durchbrechen. Wir müssen die Kinder so früh es geht in die Kitas bringen, sie müssen Deutsch lernen, ihre Kreativität entdecken, sie müssen einfach mehr sehen als den Heimatsender rund um die Uhr.

Wie soll das gehen?

Man sollte Sozialhilfeempfängern den Mindestbetrag für die Kita gleich abziehen, sonst geben die das Kind zur Oma, die kostet nichts. Dafür singt sie dem Kind den ganzen Tag anatolische Weisen vor. Diese Kinder sind am Einschulungstag schon gescheitert. Sie sprechen kein Wort Deutsch und haben noch nie eine Schere oder einen Buntstift gesehen.

Warum machen Sie das nicht?

Weil die Rechtslage es nicht erlaubt. Nicht einmal diese Möglichkeit gibt es, da, wo die Gesellschaft eine Familie alimentiert, zu sagen: Dafür möchten wir, dass Du dein Kind in die Kita gibst und den Mindestbeitrag zahlst.

Was muss noch passieren?

Maßnahme Nummer zwei: Wir müssen Schulen mit besonderen Profilen haben, die auf den Problemkiez abgestimmt sind. Die Schule darf kein Argument sein, weswegen Eltern wegziehen. Es gibt nichts teureres als einen nicht in die Gesellschaft integrierten Menschen. Der verursacht sein Leben lang Folgekosten, über Polizei, Justiz, Sozialamt.

Und Nummer drei?

Wir müssen der Verwahrlosung des öffentlichen Raums die Stirn bieten. Manche denken, dort gelten keine Regeln. Das fängt beim kackenden Hund an und hört bei der Zerstörung von Parkbänken auf. Ich kann es kaum erwarten, dass endlich die Ordnungsämter kommen. Und die Strafen müssen die Mitarbeiter auch selbst durchsetzen dürfen – inklusive vorläufiger Festnahme. Wir brauchen keine Dudu-Onkels. Wenn denen ein fröhliches „F… dich!“ entgegengerufen wird, dann müssen die handeln können, ohne erst die Polizei zu rufen, die nach 40 Minuten kommt. Es ist eine typische Berliner Krankheit, dass wir darüber noch diskutieren.

Viele nehmen den Staat nicht ernst.

In der Tat. Wir haben in Neukölln-Nord und Kreuzberg zehn arabische Großclans von etwa 500 bis 1000 Menschen, die alle der organisierten Kriminalität nachgehen. Das sind Parallelgesellschaften, in denen unsere Regeln nicht gelten. Straftaten müssen schnell und konsequent verfolgt werden.

Da gibt es ja auch schon Ansätze, besonders im Bereich der Jugendkriminalität.

Ja, das ist auch gut, aber muss verstärkt werden. Zehn Figuren reichen, um ein ganzes Viertel zu terrorisieren. Die verbreiten Angst und Schrecken, die sorgen dafür, dass andere Jugendliche bestimmte Einrichtungen nicht mehr aufsuchen, weil die da sind.

Bringt das Quartiersmanagement was?

Ja. Denen gelingt es am ehesten, Nachbarschaften zu organisieren, die türkische Familie mit der deutschen zusammenzubringen, mit der arabischen, der angolanischen. Die sollen sich zusammentun und sagen: Wir lassen uns nicht mehr gefallen, wie Familie Soundso einen ganzen Block terrorisiert. Eine funktionierende Nachbarschaft können wir nicht staatlich verordnen, das müssen die Menschen selber machen. Aber wenn sie dafür Schutz und Hilfe brauchen, müssen wir ihnen die geben.

Dazu braucht man Geld, das Berlin nicht hat.

Man muss sehen, ob das Geld in der Stadt gerecht verteilt ist. Ob nicht die Gebiete der Stadt, wo heile Welt ist, mal einen Schritt zurücktreten sollten. Denn die Problemgebiete sind die Garanten für deren Frieden. So lange sich die Probleme in manchen Gegenden ballen, können die Bürger in Dahlem-Dorf oder Pankow ruhig schlafen.

Das Gespräch führte Fatina Keilani .

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