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Berlin: "Wir reden noch nicht über Koalition" - Was SPD-Pateichef Peter Strieder bei den Gesprächen mit der CDU erreichen will

Herr Strieder, warum war bei der SPD-Klausur nichts von Ihrer Fröhlichkeit zu merken?Die Zeiten sind schwer, die Wahlniederlage lastet auf der SPD.

Herr Strieder, warum war bei der SPD-Klausur nichts von Ihrer Fröhlichkeit zu merken?

Die Zeiten sind schwer, die Wahlniederlage lastet auf der SPD.

Hatten Sie die Sorge, dass Ihnen die Partei um die Ohren fliegt?

Nein. Mit dem Votum für Gespräche mit der CDU hatte ich gerechnet.

Verstehen Sie sich als Moderator Ihrer Partei oder haben Sie einen Führungsanspruch?

Führung ist gut. Doch ab und zu muss man sich umsehen, ob die Kohorten noch hinter einem sind. Insofern ist auch Moderation verlangt. Man muss ein Klima erzeugen, dass sich alle beteiligt fühlen und mitgenommen werden. Ich habe den Vorschlag gemacht, mit der CDU zu reden. Dem ist man gefolgt.

Sie sprachen nach der Klausur von drei Optionen: Regierungsbeteiligung, Opposition oder Opposition mit Duldung eines CDU-Minderheitssenats. Welche ist Ihre eigene?

Um Mehrheiten in der Opposition zu finden, müssten wir uns mit den Grünen und der PDS abstimmen. Das halte ich für verkehrt, schon im Hinblick auf die PDS. Im Fall der Tolerierung würden Grüne und PDS als Opposition wahrgenommen, während die SPD der CDU über die schwierigsten Klippen helfen müsste. Voraussetzung für unsere Senatsbeteiligung ist ein gemeinsames Verständnis dafür, was am Ende der Wahlperiode der politische Ertrag für die Stadt sein soll, mit dem beide Parteien in den nächsten Wahlkampf ziehen können.

Würde nicht in der Oppositions- oder Tolerierungsrolle die Geschlossenheit Ihrer Partei leiden? Bei geheimen Abstimmungen weiß man doch nie, wer aus dem Ruder läuft?

Es gibt die Idee einer vertraglich vereinbarten Tolerierung als Mindestform der Kooperation. Danach müsste die SPD den CDU-Minderheitssenat mitwählen und sich mit der CDU auf einen Haushalt und wesentliche Schwerpunkte der Politik samt Finanzierung verständigen. Ich halte davon nichts. Die SPD würde nicht als eigenständige Kraft wahrgenommen, sondern als Anhängsel der CDU.

Was also ist Ihre Position?

Das habe ich doch eben ziemlich deutlich gemacht. Man muss aber die drei Optionen sorgfältig bewerten, die Risiken klar machen. Mir ist nämlich die Geschlossenheit der SPD mindestens ebenso wichtig.

Sie können Ihre Partei doch nicht in die Richtung laufen lassen, die Sie nicht wollen. . .

Nein, ich werde intern sagen, wie ich welche Strategie bewerte.

Klaus Böger ist klar für Koalitionsverhandlungen. . .

Der Fraktionsvorsitzende darf das so sagen.

Schreckt Sie der Gedanke an Neuwahlen?

Neuwahlen wären falsch. Sie würden auch für die SPD nicht gut ausgehen.

Was ist dann der Sinn der Sondierungen?

Ich will mit der CDU über ihre und unsere Schwerpunkte reden. Wir müssen uns stärker auf die Schaffung von Arbeitsplätzen konzentrieren. Wir brauchen ein Sonderprogramm zur Schulbautensanierung, zur technischen Ausstattung der Schulen und zur Qualifizierung der Lehrer für diese neuen Medien, auch gegen den Unterrichtsausfall. Von der CDU wollen wir wissen, was von ihren Wahlversprechen bleibt und wie alles finanziert werden soll. Wir reden noch nicht über Koalition oder Tolerierung.

Was liegt der SPD noch am Herzen?

Wir müssen die soziale Stadtentwicklung vorantreiben. Wir können es uns nicht leisten, Kinder in zweiter und dritter Generation zu haben, deren Familien von Sozialhilfe leben. Die Instrumente des zweiten Arbeitsmarktes müssen eingesetzt werden. In der Innenstadt und den Plattenbausiedlungen müssen wir alles für lebenswerte Kieze tun. Die Debatte um die Aktion saubere Stadt war doch nicht mein persönlicher Waschzwang.

Die SPD hat sich als treibende Kraft der Spar- und Modernisierungspolitik dargestellt. Jetzt ist von inhaltlicher Erneuerung die Rede. Wollen Sie alles über den Haufen werfen?

Nein, wir müssen Linie halten. Ein neuer Senat kann kein Wunschkonzert anstimmen und keine Gelddruckmaschine anstellen. Bei der Begrenzung der Neuverschuldung muss es bleiben. Man kann sicher über die Schritte der Senkung reden. Man muss aber wissen: Wenn man die Neuverschuldung nicht mehr senkt, hat man am Ende der Wahlperiode eine zusätzliche Zinslast, die den Ausgaben eines Ressorts entspricht. Wir haben in der Vermittlung unserer Politik sicher Fehler gemacht. Auf die dienende Funktion der Finanzpolitik kommt es an.

Überlassen Sie der CDU das Finanzressort?

Ich weiß ja noch nicht, ob wir überhaupt ein Ressort übernehmen. Ich fände es aber falsch, wenn die SPD ihre Probleme lösen wollte, indem sie keine Verantwortung mehr für die Finanzpolitik trüge.

Braucht die Stadt eine Haushaltsgehilfin oder eine Haushälterin?

Die Stadt braucht eine Regierung mit einem gemeinsamen Verständnis davon, was machbar und nicht machbar ist. Die SPD wird aber nicht mehr zulassen, dass sie selbst für die schlechten Nachrichten zuständig ist und die anderen Bonbons verteilen. Ob es zur Kooperation mit der CDU kommt, hängt also auch sehr von einem gemeinsamen finanzpolitischen Ziel und von einem anderen Umgangsstil miteinander ab.

Ich hatte nach der Finanzsenatorin gefragt

Man braucht jemanden, der die gemeinsamen Ziele durchsetzt. Nur fehlte in der letzten Wahlperiode die klare Unterstützung Diepgens für die Finanzsenatorin.

Wie ist das Koalitionsklima zu verbessern?

Der strategische Griff der SPD nach dem Finanzressort, mit dem Frau Fugmann-Heesing in alle anderen Ressorts hineinwirken konnte, hat die CDU stark gestört. Aber in einer Koalition müssen die Gewichte richtig verteilt sein.

Die SPD hat die Wahlen verloren, die CDU zugelegt. Wollen Sie als kleiner Koalitionspartner in Selbstbescheidung auftreten, also sich mit drei statt vier Ressorts begnügen?

Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr, sagt der Berliner. Falls es zu Koalitionsgesprächen kommt, dann auf gleicher Augenhöhe.

CDU wie SPD haben wohl das Gefühl, dass sich etwas ändern muss. Aber keiner weiß so richtig, wie. Woran liegt das?

Beide Parteien haben ihre Probleme mit dem Sonderfall Große Koalition. Trotzdem muss ein Senat ein kompromissfähiges Team sein. Die nächste Legislaturperiode wird schwierig wegen der gesellschaftlichen Veränderungen. Als überschuldete Stadt kann Berlin auch keinen gänzlich anderen finanzpolitischen Kurs fahren als die Bundesregierung und andere Länder. Wir brauchen auch deren Wohlwollen.

Wie wollen Sie die SPD modernisieren?

Die SPD muss wieder ein gesellschaftlicher Faktor werden. Wir brauchen ein eigenes Zukunftsprogramm, ein Leitbild. Da haben wir enorme Defizite. Das Misstrauen gegen die Große Koalition war bei uns so weit verbreitet, dass die Parteigremien sich zu intensiv als Aufpasser der Koalition betätigt haben, ohne über den Tag hinaus zu denken.

Momper ist gerade abserviert worden. Wo sind kluge Nachwuchsköpfe der SPD?

Walter Momper bleibt in der Politik und wird seinen Beitrag zur Diskussion in derSPD wie zu ihrer Repräsentanz nach außen leisten. Frau Fugmann und ich sind vor vier Jahren als relativ Junge in den Senat gegangen, Frau Schöttler kam hinzu. In den Bezirken haben wir gute jüngere Leute, die schon Verantwortung tragen.

Wenn es wieder zur CDU/SPD-Koalition kommt: Verzichten Sie dann auf ein Senatsamt, um sich auf die Neuformierung Ihrer Partei zu konzentrieren?

Die Senatsfrage steht noch gar nicht an. Aber wenn die Grünen richtigerweise ihre Trennung von Amt und Mandat überdenken, muss die SPD nicht die Rolle rückwärts machen. Ich erinnere auch daran, dass der Regierende Bürgermeister zugleich Landesvorsitzender der CDU ist.Mit Peter Strieder sprach Brigitte Grunert.

Herr Strieder[warum war bei der SPD-Klausur nicht]

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