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Berlin: „Wir sind an einer Untergrenze angelangt“

Der neue Vivantes-Chef Holger Strehlau-Schwoll über weitere Sparmöglichkeiten seiner Kliniken – und über technische Aufrüstung

Herr Strehlau-Schwoll, seit Anfang Januar leiten Sie den landeseigenen Klinikkonzern Vivantes. Wie wird er in fünf Jahren aussehen, wenn Ihre erste Amtszeit abläuft?

Vivantes wird ein Klinikunternehmen sein, dessen Leistungen die bisherigen Grenzen im Gesundheitswesen – also die Trennung in einen ambulanten Bereich, einen stationären, einen Rehabilitations- und einen Pflegeheimbereich – überschreiten werden.

Bedeutet dies zum Beispiel, dass Ihr Unternehmen wie andere Klinikkonzerne auch Medizinische Versorgungszentren aufbauen wird, um dort Patienten ambulant zu versorgen?

Wir sind da sehr zurückhaltend. Nur dort, wo es im ambulanten Bereich Versorgungslücken gibt, wäre das für uns vorstellbar. Beispielsweise beim Brustkrebs-Screening oder bei der Behandlung von krankhaft fettsüchtigen Menschen. Aber wir werden nicht in einen Konkurrenzkampf mit Berlins niedergelassenen Ärzten treten. Im Gegenteil: Wir suchen eine engere Zusammenarbeit und bieten Fachärzten an, dass sie die ambulante Vor- und Nachsorge unserer Patienten übernehmen und dafür ein entsprechendes Honorar erhalten. Mit der sinkenden Verweildauer der Patienten im Krankenhaus wird das immer wichtiger. So haben wir mit Berliner Urologen bereits eine Vereinbarung abgeschlossen.

Was wird sich für die Patienten ändern?

Wir rüsten im Interesse einer schnellen Diagnose und eines schnelleren Therapiebeginns derzeit unsere radiologische Geräteausstattung auf. Gerade läuft die erste Ausschreibung für so genannte bildgebende Apparate, also etwa Computer- (CT) oder Magnetresonanztomografen (MRT) mit einem Auftragsvolumen von 15 bis 17 Millionen Euro. Allein ein CT kostet bis zu einer halben Million Euro. 2008 werden wir noch einen Auftrag im gleichen Umfang ausschreiben. Und die Vorteile werden durch ein telemedizinisches Netzwerk allen Vivanteskliniken rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Wenn also zum Beispiel das CT im Klinikum Prenzlauer Berg steht, kann der Arzt aus dem Klinikum im Friedrichshain darauf zugreifen. Außerdem bauen wir eine neue Küchenversorgung auf. Die Speisen werden zentral zubereitet, anschließend gekühlt und dann in den einzelnen Häusern erhitzt und serviert.

Vivantes war bisher – im Gegensatz zur Mehrzahl der großen deutschen Krankenhausketten – ein streng zentralisiertes Unternehmen. Werden Sie dieses Konzept beibehalten?

Die Zentralisierung war gut für den straffen Sanierungskurs, den Vivantes in den vergangenen Jahren fahren musste. Doch das ist nun nicht mehr in dieser Strenge nötig. Wir werden so viel Verantwortung wie möglich an die fünf Regionaldirektoren von Vivantes delegieren. Dazu zählt auch die volle Budgetverantwortung für die Kliniken in der jeweiligen Region. Auf der anderen Seite wird der Konzern aber auch die Strategie fortsetzen, Behandlungen in Zentren zusammenzuführen, vergleichbar etwa unserem Brustzentrum am Urban-Klinikum, wo wir alle unsere Brustkrebspatientinnen zentral versorgen. Eine solche Konzentration führt dazu, dass die Ärzte die Eingriffe häufig durchführen und so eine hohe Erfahrung und Routine aufbauen. Das wiederum führt zu einer höheren Behandlungsqualität. Nur wo ein Eingriff häufig gemacht wird, wird er auch gut gemacht.

Heißt das, künftig wird es an den neun Vivantes-Kliniken keine parallelen Angebote mehr geben?

Nein, das heißt es nicht. Aber wo wir zur Sicherung der medizinischen Versorgung gleichartige Abteilungen an mehreren Klinikstandorten aufrechterhalten, werden wir durch standardisierte Behandlungspfade dafür sorgen, dass die Therapie an allen Orten in gleicher Weise und in gleich hoher Qualität erfolgt. Solche Behandlungspfade, die jeden einzelnen Therapieschritt und jede Arzneimenge detailliert vorgeben, haben wir beispielsweise schon für die Implantation künstlicher Kniegelenke entwickelt.

Derzeit behandelt Vivantes in seinen neun Häusern jährlich rund 185 000 Patienten stationär. Wollen Sie mehr?

Ja, wir wollen unseren Marktanteil von 30 Prozent ausbauen. Aber wir haben ein gedeckeltes Budget von den Krankenkassen. Selbst wenn wir mehr Kranke versorgen, bekommen wir dafür nicht mehr Honorar. Das müssen wir jetzt neu mit den Krankenkassen aushandeln, denn Ende 2006 läuft die bestehende Budgetvereinbarung mit den Kassen aus. Und der Konzern hat ja in den vergangenen Jahren bereits einen großen Beitrag zur Entlastung der Krankenkassen geleistet. Seit 2001 haben wir das Jahresbudget um 112 Millionen Euro gesenkt.

Können Sie noch weiter sparen?

Ich denke, wir sind da an einer Untergrenze angelangt. Der Personalabbau in den Kernbereichen – also Ärzte und Pflegedienst – ist nahezu beendet. Wir haben in den letzten Jahren rund 3000 Vollzeitstellen abgebaut. Sparen können wir auch noch beim Management der zum Teil ausgedehnten Flächen unserer Häuser. Außerdem wollen wir weitere nicht mehr benötigte Immobilien verkaufen.

Aus Spargründen drängt der Senat auch auf eine Kooperation mit dem zweiten öffentlichen Krankenhausbetrieb Berlins, der Charité. Gegenüber dem Tagesspiegel hat Charité-Vorstandschef Ganten einige Optionen von vorneherein ausgeschlossen, so etwa eine einvernehmliche Aufteilung der Patientenklientel oder ein gemeinsames Betreiben einzelner Standorte. Wie beurteilen Sie den Stand der Verhandlungen?

Wir sind weiterhin offen für eine Zusammenarbeit. Aber um dieses Projekt nicht zu gefährden, haben beide Seiten jetzt vereinbart, die Verhandlungen nicht öffentlich zu kommentieren. Viel Zeit bleibt allerdings nicht mehr für eine Einigung. Denn wir müssen jetzt einige Entscheidungen treffen, die für die Zukunft von Vivantes wichtig sind – und die von einer möglichen Kooperation mit der Charité beeinflusst werden.

Das Gespräch führte Ingo Bach.

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