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BVG-Mitarbeiter: "Wir streiken ja nicht aus Spaß"

Die Mitarbeiter der BVG hoffen auf eine Lohnerhöhung. Einer verlängerten Arbeitszeit stehen sie jedoch skeptisch gegenüber. Fünf Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe berichten über ihre Erfahrungen und Hoffnungen im Streik.

Als sein Wecker um 3 Uhr klingelte, griff Thomas S. zuerst zur Fernbedienung. Der Busfahrer war zwar fest überzeugt, dass der Arbeitskampf bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) am Dienstag fortgesetzt würde - aber er wollte sich zur Sicherheit davon im Videotext überzeugen. "Mit Schrecken habe ich festgestellt, dass Verdi den Streik abgesagt hat", sagt er. Kurz nach Mitternacht hatte die Gewerkschaft den Ausstand nach einem Spitzengespräch mit Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) im letzten Moment abgeblasen.

"Der Arbeitskampf ist nichts Halbes und nichts Ganzes", schimpft der Busfahrer. Mal werde gestreikt und mal nicht, dann werde ein Ausstand angekündigt und kurzfristig wieder abgesagt. Die Fahrgäste seien von dem Hickhack zu Recht verunsichert, sagt der Busfahrer. Von dem Tarifstreit habe er sich vor allem erhofft, dass endlich die Gehälter von Alt- und Neubeschäftigten, von Mitarbeitern der BVG und ihrer Tochterfirma Berlin Transport (BT) angeglichen würden. "Wir machen alle denselben Job und fahren dieselben Busse, das ist doch eine Frechheit", betont Thomas S. Er selbst sei bei der BT angestellt und arbeite 39 Stunden pro Woche - anders als seine Kollegen bei der BVG mit 36,5 Stunden. Er habe vier Kinder und verdiene 1500 Euro netto im Monat. "Das ist zu wenig."

39 Stunden pro Woche und acht Prozent mehr Lohn

Basis der Tarifverhandlungen ist laut Verdi der am Montag in Potsdam erzielte Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Die Einigung sieht in zwei Schritten insgesamt eine durchschnittliche Erhöhung von rund acht Prozent vor, im Gegenzug wird die Arbeitszeit im Westen von 38,5 auf 39 Stunden die Woche angehoben. "Noch mehr arbeiten geht bei uns gar nicht", ruft Thomas S. und schlägt seinen grünen Kuli auf den Vordersitz. Sein jüngerer Kollege Sven T. nickt. Seine reguläre Schicht dauere oft von 6 Uhr bis 18 Uhr, dazwischen habe er drei bis vier Stunden unbezahlte Pause. "Da darf ich dann in der Kälte rumstehen." Mit Zuschlägen komme er auf 1200 Euro im Monat. "Für das Geld müssen wir uns von Fahrgästen anspucken und verprügeln lassen", klagt Sven T.

Auch Thomas F. hofft endlich auf mehr Gehalt. Er arbeitet seit 20 Jahren als Straßenbahnfahrer, an der Haltestelle am Alexanderplatz blinkt auf der digitalen Anzeige die Laufschrift: "Der von Verdi angekündigte Streik wurde abgesagt." Darüber ist Thomas F. froh: "Es ist besser zu arbeiten, wir streiken ja nicht aus Spaß." In den vergangenen Jahren habe er auf viel Geld verzichten müssen, damit sei jetzt hoffentlich Schluss. Dafür wäre der BVG-Mitarbeiter auch bereit, mehr als bisher 36,5 Stunden die Woche zu arbeiten - auch wenn für die Beschäftigten im Jahr 2005 mit dem Lohnverzicht gerade erst eine Reduzierung der Arbeitszeit einherging.

"Mir ist Freizeit lieber"

Seine Kollegin Uschi K. ist da jedoch anderer Meinung: "Mir ist mehr Freizeit lieber.» Der Schichtdienst sei anstrengend, sie wolle lieber das Leben genießen. Durch den Streik habe sie einen Teil ihres Gehalts einbüßen müssen, da sie nicht in der Gewerkschaft organisiert sei. Finanzielle Sorgen habe sie dennoch nicht. Die blonde Frau lacht: "Ich habe einen gut verdienenden Mann."

Ihr Kollege Klaus T. hat ebenfalls Glück. Mehr Geld sei zwar schön, aber ihm nicht so wichtig. "Meine Frau verdient gut", sagt der Busfahrer und blinzelt zufrieden in die Sonne. Er habe den Streik trotzdem unterstützt und hoffe auf eine kräftige Lohnerhöhung - für seine Kollegen. Die nach 2005 eingestellten Busfahrer verdienten kaum mehr als 1000 Euro. Zudem werde der Dienst immer stressiger, die Fahrzeiten seien oft zu knapp bemessen. "Das ist hart, acht Prozent mehr Lohn wären schon in Ordnung", findet er.

Kathrin Hedtke[ddp]

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