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Seit zehn Jahren steigen die Mietpreise in Berlin unaufhörlich.

© Britta Pedersen/dpa

Wohnungsnot in Berlin: Rot-Rot-Grün will Mietpreise begrenzen

Berlin könnte offenbar eine eigene Mietpreisregulierung einführen. Die Koalition will den Vorschlag prüfen lassen, die Opposition lehnt ihn ab.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Darf der Senat mit einem Landesgesetz die Mieten deckeln – zumindest in jenen Kiezen, in denen die Mietpreise seit einem Jahrzehnt unaufhörlich steigen? Die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl und der Vize-Landeschef der Sozialdemokraten, Julian Zado, regten in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel so eine landesrechtliche „Notbremse“ für den Berliner Wohnungsmarkt an.

Die Idee findet auch bei Linken und Grünen großen Zuspruch. Am Mittwoch wird sich voraussichtlich der rot-rot-grüne Koalitionsausschuss mit dem Thema befassen. Und der Regierende Bürgermeister und SPD-Landesvorsitzende Michael Müller erklärte am Freitag auf der SPD-Fraktionsklausur in Rostock: „Wir werden den Vorschlag schnell prüfen und wenn möglich konsequent nutzen. Wir wollen jedes Instrument, das den Mieterinnen und Mietern hilft.“

Allerdings ist der überraschende Vorschlag nicht auf dem Mist der Sozialdemokraten gewachsen. Schon im November 2018 erschien in der „Juristen-Zeitung“ ein Aufsatz unter dem Titel: „Mittel und Wege landesrechtlichen Mietpreisrechts in angespannten Wohnungsmärkten“. Verfasst von Peter Weber, ehemals Fachanwalt in Karlsruhe, inzwischen arbeitet er im Wohnungsamt des Bezirks Pankow.

Stadtentwicklungssenatorin will Vorschlag prüfen

Er sieht die Möglichkeit eines „öffentlich-rechtlichen Mietpreisrechts“ auf Landesebene. Denn mit der Föderalismusreform sei auch das Recht des Wohnungswesens auf die Länder übergegangen. „An der generellen Möglichkeit einer Regulierung der Preise an den Wohnungsmärkten durch den heute zuständigen Gesetzgeber – außerhalb des Mietvertragsrechts – sollte daher kein Zweifel bestehen“, schrieb Weber.

Es gehe darum, so der Jurist, ausufernde Preise für Wohnraum durch Verwaltungsrecht zu binden. Durch Landesgesetz oder Verordnungen könnten bestimmte Höchstpreise in Euro und Cent pro Quadratmeter von den Behörden festgesetzt werden. Die Kompetenz des Bundes für das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches werde dadurch nicht berührt. Auch verfassungsrechtlich gesehen seien „preisrechtliche Vorschriften, die durch sozialpolitische Ziele legitimiert werden“, nicht ausgeschlossen, schreibt Weber in seiner 16-seitigen Analyse.

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Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will dem Vorschlag des Juristen nicht ohne Bedenken folgen, die Fachleute der Behörde sehen durchaus verfassungsrechtliche Probleme und eine mögliche Konkurrenz zwischen Bundes- und Landesrecht. „Ungeachtet dessen werden wir die Anregungen zeitnah mit dem Autor diskutieren und vertiefende Prüfungen vornehmen“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) dem Tagesspiegel. Sollten sich tatsächlich erfolgversprechende Wege für ein solches Vorgehen ergeben, „wird sich der Senat dem natürlich nicht verschließen“.

An der rechtlichen Überprüfung der Idee soll auch Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) beteiligt werden. „Wir dürfen nicht vorschnell Erwartungen wecken, die am Ende nicht erfüllbar sind“, warnte die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger. In jedem Fall müsse das Mietrecht viel mehr als bisher Landes- oder Kommunalrecht werden. „Die Mieter verzweifeln doch an dem schlechten Bundesrecht.“

„Man muss auch jönne könne“

Koalitionsintern werde man das Thema schnell und intensiv diskutieren, so Schmidberger. Sie plädiert dafür, möglichst schon in der Koalitionsrunde am Mittwoch einen Fahrplan für das weitere Vorgehen zu vereinbaren. Wenn ein landesgesetzlicher Mietendeckel machbar sei, „wäre das für die Mietenpolitik in Berlin ein phänomenaler Durchbruch“.

Dass SPD-Politiker sich den Vorschlag eines Fachjuristen an die eigene Fahne geheftet haben, findet Schmidberger verzeihlich. „Man muss auch jönne könne.“ Der Vorsitzenden der Linken-Fraktion, Carola Bluhm, war der Aufsatz in der renommierten Juristenzeitschrift ebenfalls schon bekannt. Eine Preisbegrenzung für bestehende, aber auch für neu abgeschlossene Mietverträge auf Landesebene gehe in die richtige Richtung. „Wir werden der Sache intensiv nachgehen.“

Opposition lehnt Vorstoß ab

Die Opposition lehnt den Vorstoß für eine landesrechtliche Mietenbremse ab. „Da jagt Rot-Rot-Grün die nächste Sau durchs Dorf“, schimpfte der CDU-Fraktionsvorsitzende Burkard Dregger. Die Koalition könne regulieren, was sie wolle – und erreiche doch nichts. Stattdessen müsse der Wohnungsneubau massiv gefördert werden, auch durch private Investoren. Unter dem „Druck der Linkspopulisten“ neige jetzt offenbar auch die Berliner SPD dazu, nach jedem Strohhalm zu greifen. Dregger vertraut auf das alte Gesetz von Angebot und Nachfrage. „Je größer die Nachfrage und je geringer das Angebot, desto reicher werden die Wohnungseigentümer“, sagte der CDU-Mann dem Tagesspiegel. Trotzdem lässt er den Vorschlag für einen landesgesetzlichen Mietendeckel juristisch prüfen.

Die FDP-Haushaltsexpertin Sibylle Meister kann der Idee nichts abgewinnen, „weil ein Mietendeckel nicht unmittelbar zur dauerhaften Entlastung auf dem stark umkämpften Wohnungsmarkt beiträgt“. Die FDP-Politikerin fände es sinnvoller, den Hebesatz der Grundsteuer in Berlin bis 2025 zu halbieren. Dadurch könne jeder Haushalt mehrere Hundert Euro an Mietnebenkosten jährlich einsparen.

Anfang 1988 hatten CDU/CSU und FDP im Bundestag die bis dahin geltende gesetzliche Mietpreisbindung in West-Berlin („Schwarzer Kreis“) für 520.000 Altbauwohnungen abgeschafft. SPD und Grüne hatten vergeblich gefordert, die Festsetzung der Grundmieten durch eine jährliche Rechtsverordnung als Dauerrecht beizubehalten.

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