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Workshop: Wie besetze ich ein Haus?

Auf den Aktionstagen der Berliner linken Szene gibt es allerlei zu lernen - zum Beispiel wie eine Hausbesetzung organisiert werden kann. Neben friedlichen Workshops wie diesen gab es jüngst auch wieder brennende Autos und eine Attacke auf einen umstrittenen McDonalds.

Wie radikale Autonome wirken sie nicht. Rund 60 Männer und Frauen sitzen im Gras unter Bäumen und lauschen der Stimme eines Mädchens. Im Park hinter dem Künstlerhaus Bethanien in Berlin-Kreuzberg steht an diesem sommerlichen Nachmittag der Workshop "Wie besetze ich ein Haus" auf dem Programm. Während Mütter mit Kinderwagen und Radfahrer an der Sitzgruppe vorbeiziehen, erklärt die junge Frau, wann die Polizei ein besetztes Haus räumen kann und welche Strafen den Besetzern drohen. Der Workshop gehört zu den Berliner Aktionstagen der linken Szene, zu denen in diesen Tagen Autonome aus ganz Europa nach Berlin gekommen sind.

Derzeit erlebt die Hauptstadt unruhige Nächte. Diese Woche zündeten Unbekannte fast jede Nacht Autos an, nachdem am Dienstag ein besetztes Haus im Bezirk Mitte geräumt wurde. Es ist laut Polizei nicht auszuschließen, dass es sich um Racheakte wegen der Räumung handelt. Die Fahnder hätten damit gerechnet, dass zu den Aktionstagen auch Autos Ziele von autonomen Attacken werden könnten.

Außerdem beschmierten Randalierer Dutzende von Autos und Hauswänden und warfen Fensterscheiben ein. Am Freitag attackierten zehn bis zwölf unbekannte Angreifer eine umstrittene McDonalds-Filiale in Kreuzberg, warfen mit Steinen und Flaschen und beschmierten die Fassade. Ob diese Angriffe mit den Aktionstagen zusammenhängen, konnte die Polizei zunächst nicht sagen.

"Wir bleiben alle"

Die 21-jährige Anna ist eine der Organisatoren der "Action Days" und hat in den vergangenen Tagen Sympathisanten aus Polen, Dänemark, Griechenland und Holland getroffen. Die Proteste der Kampagne "Wir bleiben alle" richten sich unter anderem gegen die Privatisierung öffentlicher Gebäude. Geplant war, mit Fahrrad-Demos, Kiezpartys und einer Straßenparade am Mauerpark gegen die "Yuppiesierung" und teure Wohnungen in Berlin zu demonstrieren.

Eine Rednerin des Hausbesetzer-Workshops will die Besucher deshalb schon mal auf weitere Proteste vorbereiten. Die grauhaarige Frau mit dem pfälzischen Dialekt erklärt, welche Barrikaden in besetzten Häusern die Polizei behindern. Mit Tipps aus dem Handbuch für Hausbesetzer warnt sie davor, Transparente aufzuhängen und Partys zu feiern, bevor das Haus nicht gesichert ist. Man merkt, sie spricht aus Erfahrung. Die 53-Jährige kam vor 18 Jahren nach Berlin und lebte sechs Jahre in besetzten Häusern.

Szenerie wirkt eher friedlich

Eine 35-jährige Besucherin aus Hamburg ist der Meinung, die Hausbesetzer seien früher radikaler und entschlossener gewesen. Heute seien sie dafür überzeugender. Die innenpolitischen Ziele der linken Szene sind nach ihrer Ansicht heute definierter. Sie richteten sich unter anderem gegen die "prekäre Arbeitssituation" sowie den "Sicherheitswahn" der Polizei nach den Terroranschlägen am 11. September 2001. Viele Alternative fühlten sich ständig überwacht, meint die 35-Jährige. Und Gewalt sei immer noch ein probates Mittel zur Gegenwehr. Beim Workshop der Hausbesetzer geht es indes nicht um Krawall, die Szenerie wirkt eher friedlich.

Wegen der Randale hatte die Berliner Oppositionspartei CDU eine Sonderkommission der Polizei gefordert, um den Fahndungsdruck auf die Brandstifter zu erhöhen. Auch die Grünen verurteilten die Ausschreitungen. Schon 2007 wurden in Berlin mehr als 100 Autos vermutlich aus politischen Motiven angezündet. Die Brandstiftungen seien viel zu lange als Begleiterscheinung des G8-Gipfels vor gut einem Jahr in Heiligendamm abgetan worden, lautet die Kritik der CDU.

Anne Gottschalk[dpa]

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