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Berlin: Worte Gottes

Die Qumran-Tempelrolle wird erstmals außerhalb Israels gezeigt. Gestern kam sie in Berlin an

Die Sensation durfte nicht mit irgendeiner Linienmaschine aus Israel eingeflogen werden. El Al musste es sein (wegen der Sicherheit) und ein Jumbo-Jet (wegen der Größe der Fracht). In Antwerpen wurde die etwa fünf Meter lange Holzkiste, die die Sensation schützend in sich barg, vom Flugzeug auf einen KunstTransporter umgeladen und unter starker Bewachung nach Berlin gerollt. „Und nun sind wir erschöpft, aber zufrieden“, sagt Michal Dayagi-Mendels, die temperamentvolle Chefkuratorin der Archäologischen Abteilung des Israel-Museums in Jerusalem. Wir erleben im Gropius-Bau den Moment, da der wertvolle Schatz mit weißen Handschuhen aus dem Dunkel seiner Hülle ins gedämpfte Berliner Museumslicht gehoben wird. Nicht mehr als 30 Lux dürfen die Sensation hier und später in der Ausstellungshalle sichtbar machen, das Licht einer einzigen Kerze für eine Tempelrolle, die vor über 2000 Jahren – Jesus Christus war noch gar nicht geboren – entstanden war. Dieses Dokument aus feinstem Leder, an den Rändern ein wenig vergilbt, aber gut lesbar, wurde wahrscheinlich mit einer schwarzen Tinte aus Öl, Harz und Wasser beschrieben, dabei wurden ein angespitztes Schilfrohr oder ein Griffel aus hartem Metall verwendet. Der Text enthält Informationen zu Fragen des Tempels. Gott selbst soll sich darin Moses offenbart haben. „Das Hebräisch hat sich kaum verändert, man kann es heute noch lesen wie vor 2000 Jahren“, sagt die Kuratorin.

Die Tempelrolle ist über acht Meter lang, in Berlin wird das Endstück mit einer Ausdehnung von 3,60 Metern gezeigt. Zum ersten Mal außerhalb Israels übrigens, aus wichtigem Grund: Vor 40 Jahren nahmen die Bundesrepublik Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen auf. Aus diesem Anlass veranstalten das Israel Museum Jerusalem und die Berliner Festspiele die Ausstellung „Die neuen Hebräer – 100 Jahre Kunst in Israel“. Die Schau läuft im Martin-Gropius-Bau vom 20. Mai bis zum 5. September, Schirmherren sind Bundespräsident Horst Köhler und Israels Präsident Moshe Katzav, der zum Besuch der Präsentation in Berlin erwartet wird.

So spannend wie der Blick auf die pergamentartigen Blätter als Bestandteile des Weltkulturerbes ist die Geschichte der Tempelrolle. Nahe der Ortschaft Qumran, am Ufer des Toten Meeres, fanden Beduinen 1946/47 sieben Schriftrollen, versteckt in Felsenhöhlen. „Unsere“ Rolle wurde 1956 in der Qumran-Höhle Nr. 11 gefunden, verschwand zunächst auf dubiosen Märkten und sollte von einem Antiquitätenhändler in die USA veräußert werden. Im Juni 1967 nahm sich der israelische Geheimdienst der Sache an, machte den Händler ausfindig und ermittelte den Ort, in dem er die Schriftrolle versteckt hielt – sie lag in einem Schuhkarton in einem Loch unter einem Kachelboden, eingewickelt in ein Handtuch, Papier und Plastikfolie. Die Archäologen bekamen ihre Rolle, der Händler eine Entschädigung – und die Restauratoren viel zu tun.

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