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Berlin: Wurms Revier

Bus-Entführer rief früher oft bei einer Telefon-Talk-Show an. Heute geht deshalb ein „Spezial“ auf Sendung

In der Redaktion waren sie „total geschockt“. Als die Journalisten von der TelefonTalk-Show „Redaktion Pawell“ von Dieter Wurms Banküberfall hörten, von seiner brutalen Geiselnahme. „Er war immer ein interessanter Gesprächsparter“, sagt Peter Pawell. Bei der Sendung auf Sonderkanal 10 schalteten sie Wurm gerne und regelmäßig zu, plauderten mit dem Ex-Knacki über Amerika, Krieg, Klonen und über seine Vergangenheit. „Er hat offen über seine Knastzeit gesprochen und die Schuld nicht nur bei der Gesellschaft gesucht“, sagt Pawel.

Aus aktuellem Anlass hat die Redaktion jetzt eine Sondersendung zusammengestellt. Das „Wurm Spezial“ läuft am heutigen Donnerstagabend um 23 Uhr auf dem Kabelsender Spreekanal. Etwa eine Viertelstunde lang plaudert der Bankräuber und Geiselnehmer über diverse Themen. Beispielsweise über den Irak-Krieg – und das klingt dann so: „Wenn die diesen Hussein da wegbomben, dann ist das okay.“ Oder über seinen politischen Hintergrund: „War früher linksradikal – und antiamerikanisch.“ Und seinen Familienstand: „Sascha, noch ein Satz bitte: Ich such ne Freundin. Kannst du was für mich tun? Du kennst doch sicher genug Mädels.“

So gut wie in der Redaktion am Potsdamer Platz ist man in der Weddinger Wiesenstraße nicht auf den Schwerverbrecher zu sprechen. Neben Dieter Wurms Wohnung ist eine Kneipe, „Auf den Wies’n“ heißt die. Der Wies’n-Wirt ist sauer. „Wegen so einem Idioten wird so viel Wirbel gemacht. Und was ist mit mir? Bei mir bleiben die Gäste weg“, schimpft er. Ein Stammgast, der vor der verstaubten Orgel in der holzgetäfelten Kneipe sitzt, nickt. „Is’ kaum noch jemand hier.“ Seit Dieter Wurm am vergangenen Freitag mit einem Komplizen die Commerzbank in Steglitz überfallen und danach den 185er Bus mit Fahrgästen entführt hat, sei der Umsatz um die Hälfte zurückgegangen, sagt der Wirt. Gerade ältere Stammgäste seien verunsichert. „Der Ruf der Kneipe ist dahin“, sagt der Wirt. Dabei habe Dieter Wurm sich da nie blicken lassen. „Der hing doch immer in Steglitz rum“, erzählt einer am Tresen. Aber nun hätten die Gäste Angst, dass der Komplize in der Kneipe auftauchen könnte. „Dabei wissen wir doch weder etwas von Dieter Wurm noch von seinem Kumpanen“, sagt der Mann am Tresen.

„Wenn der 500 000 Euro erbeutet und davon 10 000 Euro bei mir versoffen hätte, dann hätte mir das geholfen“, frotzelt der Wirt. Eigentlich mögen sie alle gar nicht mehr über den Schwerverbrecher reden. Er hat nebenan gewohnt, na und? „Schockiert sind wir nicht. Ist doch ’ne Großstadt, da kommt so etwas vor.“ kf/tabu

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