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Berlin: Zerschlagenes Porzellan

Die drei Berliner Filialen des Möbelhauses Höffner verkaufen DDR-Kaffeetassen – und erregen damit den Zorn von Wissenschaftlern und SED-Opfern

Zum Verschenken, Erfreuen, Verschönern“ lautet der Slogan, doch jetzt teilt eines der angepriesenen Sonderangebote die Berliner Klientel des Möbelhauses Höffner in erfreute und ehemalige Kunden. Zudem sind Gruppen und Verbände zum Teil entsetzt, die sich berufsmäßig mit der DDR als Unrechtsregime befassen. Denn auf Seite vier ihres gemeinsamen aktuellen Werbeprospekts bieten die drei Berliner Höffner-Filialen den „Kaffeebecher (N)ostalgie“ feil – mit drei verschiedenen DDR-Motiven: mit Trabi, Staatswappen oder dem Handschlag, einem wichtigen Symbol der SED-Ikonographie.

Nach weniger als einer Woche seien rund 15000 der auf 20000 Stück limitierten Sonderauflage verkauft, sagt Werbeleiterin Anja Bläsing. „Der Erfolg hat uns überrascht.“ Überrascht ist auch der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, allerdings aus einem anderen Grund: Hubertus Knabe wundert sich „über die mangelnde Sensibilität mit dem Thema DDR – gerade weil doch auch dieses Möbelhaus von der deutsch-deutschen Teilung betroffen war“. Ihn ärgere „die schleichende Gewöhnung an ein falsches Geschichtsbild“. Die Tassen greifen laut Knabe den „unseligen Geist auf, aus dem heraus die verzerrenden Ostalgieshows des vergangenen Jahres im Fernsehen entstanden“. Die Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, teilt grundsätzlich Knabes Ansicht. „Wo mit politischen Symbolen massiv geworben wird, sticht auch das Argument nicht mehr, das alles sei nur ein harmloser Spaß“, ließ sie einen Sprecher ausrichten. „Unerträglich ist das“, wettert Rocco Schettler vom Opfer- und Dokumentationsverein. „Wie eine Firma solch ein Produkt verkaufen kann, das begreift niemand, der unter der SED-Herrschaft gelitten und vielleicht sogar als politisch Verfolgter im Gefängnis gesessen hat.“ Nach Auskunft des Gedenkstättenleiters Knabe erwägen einige Opferverbände Aktionen gegen das Möbelhaus und seine DDR-Tassen.

Die zum Teil „sehr harte Kritik“ könne sie nicht verstehen, sagt Höffner-Werbeleiterin Anja Bläsing zu den Vorwürfen. „Wir bieten lediglich ein Produkt an, das einem Zeitgeist entspricht, den man schon seit einer ganzen Weile beobachten kann. Die Ostalgiewelle ist ja keine neue Erscheinung.“ Einige Höffner-Kunden haben indes nicht abgewartet, bis sie erfahren, warum das Möbelhaus die DDR-Tassenserie aufgelegt hat. Sie haben Beschwerdebriefe geschrieben, die dem Tagesspiegel zum Teil vorliegen – und ihre Kundenkarten zurückgegeben.

Marc Neller

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