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Berlin Marzahn-Hellersdorf Hellersdorf, Helle Mitte mit Alice-Salomon-Hochschule sowie BVG Jelbi Station - 23.03.2023 Berlin Marzahn-Hellersdorf *** Berlin Marzahn Hellersdorf Hellersdorf, Helle Mitte with Alice Salomon Hochschule as well as BVG Jelbi Station 23 03 2023 Berlin Marzahn Hellersdorf

© IMAGO/Jürgen Ritter

Update

„Ziemlich viele Dinge, von denen wir abgefuckt sind“: Studierende der Berliner Alice-Salomon-Hochschule besetzen Vorlesungssaal

Die Besetzer fordern mehr Mitsprache, mehr Barrierefreiheit, mehr Geld für Mensa- und Reinigungspersonal. Bei der Hochschulleitung rennen sie teils „offene Türen ein“.

Von Johanna Treblin

„Wir haben tolle Neuigkeiten für Euch: Wir werden das Audimax jetzt besetzen.“ Großer Applaus. Im Anschluss an eine Vollversammlung der Studierenden der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf verkündet eine Gruppe von Studierenden am Montagnachmittag, dass sie den größten Vorlesungssaal der Hochschule an diesem Tag nicht mehr verlassen wollen. Warum? Sie fordern mehr Mitbestimmung, mehr Räume für studentische Selbstverwaltung und mehr Barrierefreiheit in allen Bereichen der Hochschule.

Am Tag darauf sind sie noch immer im Audimax. Die Hochschulleitung hat erlaubt, dass die Studierenden zunächst bis Freitag im Veranstaltungssaal bleiben. Kim Hansa, Mitglied des Asta und der Orga-Gruppe der Besetzung, berichtet dem Tagesspiegel, dass von Montag auf Dienstag etwa 30 Studierende im Audimax übernachtet haben. Heute seien weitere mit Schlafsäcken dazu gekommen. Sie bekämen viele positive Rückmeldungen von Kommiliton:innen. Forderungen, die bisher vorformuliert waren, sollen nun gemeinsam weiter ausgearbeitet und am Mittwoch oder Donnerstag der Hochschulleitung überreicht werden.

Das neue Semester hat vor zwei Wochen begonnen. Aktuell laufen die „Kritischen Orientierungstage“ des Allgemeinen Studierendenausschusses. In der Vollversammlung am Montag ging es zunächst um die Vorstellung der verschiedenen Gremien, die rund 100 Zuhörer:innen wurden über die anstehende Urabstimmung über das Semesterticket informiert und konnten Fragen zu politischem Engagement stellen. Am Ende dann die Überraschung: Drei Studierende forderten zur Besetzung auf.

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„Wir sind heute hier, weil es ziemlich viele Dinge an der Hochschule gibt, von denen wir abgefuckt sind“, sagt einer der Studierenden ins Mikrofon. „Das wollen wir so nicht mehr hinnehmen – wir wollen die Dinge ändern!“ Das volle Audimax bestätige: Studierende wollen sich in der Hochschulpolitik einbringen und die Hochschule mitgestalten, sagt er weiter. Aber: „Es ist ein stetiger Kampf.“ Zwar würden immer wieder Mitspracherechte erstritten. „Doch sobald der Druck von Studierendenseite nachlässt, wird alles von Seiten der Hochschulleitung wieder rückgängig gemacht.“

Barrierefreie Räume, kostenlose Menstruationsartikel

Im Anschluss tragen die Studierenden eine Reihe von Forderungen vor: Es geht um barrierefreie Räume, Übersetzungen für internationale Studierende und günstiges Mensaessen für geflüchtete Studierende. In den Toiletten soll es dauerhaft kostenlose Menstruationsartikel geben, geschlossene Kreativräume wie eine Fotowerkstatt sollen wiedereröffnet werden.

Ein Banner mit der Aufschrift „Die Hoschule ist besetzt“ hängt an der Fassade der ash Berlin
Ein Banner mit der Aufschrift „Die Hoschule ist besetzt“ hängt an der Fassade der ash Berlin

© Johanna Treblin

Die Studierenden solidarisieren sich auch mit Mitarbeiter:innen der Hochschule: Die Mensamitarbeiter:innen und das Reinigungspersonal soll mehr Gehalt bekommen, insgesamt prekäre Arbeitsverhältnisse abgeschafft werden. „Viele Verwaltungsstellen sind überarbeitet und unterbesetzt. Deshalb können sie den Anforderungen des Lehrbetriebs nicht gerecht werden, etwa das Prüfungsamt“, heißt es im Forderungskatalog. Deshalb: „Verwaltungsstellen müssen aufgestockt und besser bezahlt werden.“

Applaus aus dem Publikum, der offizielle Teil ist vorbei. Auf Stellwänden werden die Forderungen angebracht. Stühle werden weggeräumt, Sofas in den Raum getragen, Chips und Gummibärchen verteilt. Ton, Steine, Scherben singen „Das ist unser Haus!“

Studierende lesen die vorläufigen Forderungen im Audimax der ash Berlin
Studierende lesen die vorläufigen Forderungen im Audimax der ash Berlin

© Johanna Treblin

Rund eine Stunde später erscheinen Rektorin Bettina Völter und die Prorektorinnen Anja Voss und Gesine Bär. „Wir freuen uns, dass Sie sich engagieren“, sagt Völter. Mit einigen der Forderungen würden die Studierenden „offene Türen einrennen“. Skeptisch ist die Leitung zunächst, ob die Studierenden die Nacht über in der Hochschule bleiben können. Es gebe versicherungstechnische Fragen. Völter, Voss und Bär ziehen sich zur Beratung zurück. Am Abend dann die Zusage: Die Studierenden können erstmal bleiben.

Asta-Mitglied Kim Hansa nennt die Reaktion der Hochschulleitung gegenüber dem Tagesspiegel „erwartbar“. „Sie finden klasse, was wir machen, aber wollen uns im Grunde schnell abfrühstücken.“ Das aber wollen die Studierenden nicht. Es gehe um langfristige, strukturelle Probleme, die nicht ad hoc gelöst werden könnten. Immerhin: Die Leitung hat die Polizei, die mittlerweile eingetroffen war, gleich wieder weggeschickt. Im Audimax herrscht Partystimmung. Die Besetzung hat gerade erst begonnen.

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