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Berlin: Zu stilles Gedenken?

Der 17. Juni ist wieder als Feiertag im Gespräch – Pro & Contra

Der 17. Juni war ein seltsamer Feiertag: Die Westdeutschen hatten ihn viele Jahre und wussten mit jedem Jahr weniger mit diesem Datum anzufangen. Sie feierten den freien Tag, nicht den Mut ostdeutscher Arbeiter. Die Ostdeutschen hätten diesen Tag wohl herzlich gern gefeiert. Doch war es gefährlich, dies zu sagen. So gingen viele weg aus der DDR, oder sie blieben und schwiegen über den 17. Juni. Als es die Möglichkeit gab, einen gesamtdeutschen Konsens über diesen Tag und seine Bedeutung herzustellen, schaffte ihn die Bundesregierung ab. Anfang Juni 1991 wies das Bundesinnenministerium darauf hin, dass der 17. Juni in diesem Jahr kein gesetzlicher Feiertag mehr sei, sondern „ein Gedenktag“ – als solcher daran zu erkennen, dass „die Behörden flaggen“.

An die Stelle des 17. Juni trat als Feiertag der 3. Oktober, der Tag, an dem die deutsche Einheit formal vollzogen wurde. Ein anderer Tag – der 1. oder 2. oder 4. Oktober wäre ebenfalls möglich gewesen. Einer, der damals in der sich selbst abschaffenden DDR-Volkskammer saß, führt die Erfindung des 3. Oktober auf den Terminkalender des Außenministers Hans-Dietrich Genscher zurück. Der war auf Reisen, als der Einigungsvertrag zwischen Bundesrepublik und DDR am 29. September in Kraft trat. Der 3. Oktober lag weit genug vor dem 7. Oktober, dem DDR-Gründungsfeiertag, dessen Daseinsberechtigung sich nun verflüchtigte.

Mit dem Jubiläum des Volksaufstandes von 1953 ist nun eine gewisse Verve in die Diskussion um die Symbolhaftigkeit des 17. Juni gekommen. Martin Lindner, FDP-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, hat die spürbare Emotionalität des 17. Juni mutmaßlich als erster in einen politischen Vorstoß umgesetzt und – das ist Lindners Art – den Gewerkschaften einen Schlag verpasst: Lindner würde gern den 1. Mai für den 17. Juni drangeben, denn Lindner sagt, der 1. Mai werde von den Arbeitern nicht mehr als Kampftag wahrgenommen.

Damit hat er wohl recht. Der 1. Mai ist ein Tag vorzugsweise der Kampftrinker – unter Arbeitern, Angestellten und Kreuzberger Pseudorevolutionären. Er ist aber auch – daran erinnert Günter Nooke – ein internationaler Feiertag. Der CDU-Bundestagsabgeordnete hat viel übrig für die Idee, den 17. Juni zum Feiertag zu machen – aber nicht auf Kosten des 1. Mai. Damit stünde der 3. Oktober zur Disposition. Denn einen zusätzlichen Feiertag wird es schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht geben. Für die Abschaffung des 3. Oktober plädiert der Historiker Hubertus Knabe, Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen. Es sei ein Fehler gewesen, den 17. Juni „sang- und klanglos abzuschaffen“. Der 3. Oktober sei den Deutschen „als Nationalfeiertag fremd geblieben“.

Günter Nookes Kollege im Fraktionsvorstand der Union im Bundestag, der CSU-Abgeordnete Michael Glos, sieht die Dinge wie FDP-Mann Lindner und kann sich vorstellen, einen nationalen Gedenktag 17. Juni dem internationalen Feiertag 1. Mai vorzuziehen. Nicht einmal die Opposition ist sich einig. Eine Frage mit hohem Streitpotenzial.

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