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Berlin: Zum 15. mal in Berlin - Kurzfilme satt

Letztes Jahr "Sex und Wahnsinn", diesmal "Zukunft und Ekstase": Die Themen könnten knalliger kaum sein, und doch - "Interfilm" ist noch immer kaum ein Begriff. Dabei handelt es sich bei dem Kurzfilmfestival um das zweitälteste Filmfest an der Spree, das auch bei seiner diesjährigen 15.

Letztes Jahr "Sex und Wahnsinn", diesmal "Zukunft und Ekstase": Die Themen könnten knalliger kaum sein, und doch - "Interfilm" ist noch immer kaum ein Begriff. Dabei handelt es sich bei dem Kurzfilmfestival um das zweitälteste Filmfest an der Spree, das auch bei seiner diesjährigen 15. Ausgabe, die gestern im Haus der Kulturen der Welt eröffnet wurde, wieder ein umfangreiches und attraktives Programm bieten kann - zu sehen bis Sonntag größtenteils im Hackesche-Höfe-Filmtheater, vereinzelt auch im Babylon-Mitte.

Angesichts der Fülle interessanter Arbeiten, die aus aller Welt eingesandt worden waren, hat man sich diesmal sogar entschlossen, elf statt der sonst üblichen zehn Wettbewerbsprogramme einzurichten. Da vereint etwa der Block "Vergänglichkeiten" Filme zum Thema Altern und Sterben, das Programm "Der andere Blick" kreist um die vergangene Kindheit, "So ein Tierleben" vor allem um Hunde und "Urbane Perspektiven" um Stadtleben und Architektur. Manch Zusammenstellung setzt auf Skurrilität, etwa wenn sich unter "Unfälle und Anschläge" in erster Linie Komödien und Satiren finden; andernorts ergibt sich derlei eher unwillkürlich: Das Programm "Bedürfnisse und Stadtrundfahrten" widmet sich, dank zahlreicher derartiger Einsendungen, vornehmlich dem Kosmos der Toiletten.

Länderprogramme verheißen eine Auswahl der besten mexikanischen Kurzfilme der letzten Jahre beziehungsweise einen Querschnitt des "Interfilm"-Pendants im französischen Clermont-Ferrand. Für weitere kuriose Absonderlichkeiten sorgt dagegen das Special des Kanadiers Bill Plympton, der seine grotesken, bitterbösen Zeichentrickfilme selbst vorstellen wird, vier Filme, die sich des Endlosthemas "Titanic" annehmen, und ein historisches Programm mit drei Arbeiten aus den sechziger und siebziger Jahren, die einen spekulativen Blick in die - inzwischen teils vergangene - Zukunft werfen. In ähnlicher Weise unfreiwillig komisch wirkt Holger Madsens "Das Himmelsschiff oder Die Reise zum Mars", dem freilich auch filmhistorische Bedeutung zukommt: 1917 in Dänemark entstanden, gilt er als der erste abendfüllende Raumfahrtspielfilm überhaupt. Historisch geworden sind mittlerweile auch die "Berlin Spezial"-Programme mit Kurzfilmen über die Mauer und andere Aspekte der deutschen Teilung.

Weitere Sonderveranstaltungen stellen die Voraufführung der diesjährigen "Cannes-Rolle", ein erstmals eingerichtetes Kinderprogramm, Seminare mit Heinrich Dubel und Charles Wilp dar - hierzu gehört auch die "Lange Nacht des abwegigen Films", die nicht von ungefähr "Eject" betitelt wurde. Dabei werden rund vierzig interessante Filme, die nicht die Aufnahme in die Wettbewerbsprogramme geschafft haben, dem Publikum zur Bewertung vorgelegt: es kann seine Lieblinge auswählen oder auch, bei Nichtgefallen, kurzerhand den Abbruch der Projektion verfügen. Diese Veranstaltung startet am Freitag um 21 Uhr im "Meinblau" in der Christinenstraße 18-19, wo auch andere Teile des Rahmenprogramms stattfinden und täglich ab 22.30 Uhr eine "Lounge" als Festivaltreff lockt. Integriert in das Filmfest wurde ferner die Vorstellung der Gewinner der diesjährigen Bundeskurzfilmpreise.

Trotz eines so ansehnlichen Angebots ist die Existenz von "Interfilm" auch nach jahrelangem Ringen nicht auf Dauer gesichert. Noch immer übersteigt die öffentliche Förderung nicht die lächerliche Summe einiger zehntausend Mark, Sponsoren lassen sich kaum finden, der allergrößte Teil der Arbeit wird ehrenamtlich erbracht - wozu nicht nur die jährliche Sichtung und Zusammenstellung der Festivalfilme gehört, sondern auch die Präsentation von Auswahlprogrammen im In- und Ausland oder die Belieferung anderer Kino- und Festivalmacher. Dinge, die effizienter zu bewerkstelligen wären, wenn beispielsweise die im Laufe der Jahre angesammelten Videos systematisch erfasst werden könnten. Sowohl Senat als auch Filmboard haben die Chance, in Berlin ein angemessen ausgestattetes Kurzfilmfestival wie -archiv zu etablieren, bislang weitgehend ungenutzt verstreichen lassen.

Jan Gympel

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