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Berlin: Zum Lokalmatador reicht es für die Spitzenkandidaten nicht

Vor zwei Jahren hat er Klaus Wowereit keine Chance gelassen: Der 31-jährige Rechtsanwalt Nicolas Zimmer, Sprecher der "Jungen Gruppe" in der CDU-Fraktion, der bei der Abgeordnetenhauswahl 1999 im Tempelhofer Ortsteil Lichtenrade gegen den SPD-Mann antrat - und den Wahlkreis mit 63,1 Prozent der Stimmen gewann. Wowereit musste mit 25,5 Prozent zufrieden sein.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Vor zwei Jahren hat er Klaus Wowereit keine Chance gelassen: Der 31-jährige Rechtsanwalt Nicolas Zimmer, Sprecher der "Jungen Gruppe" in der CDU-Fraktion, der bei der Abgeordnetenhauswahl 1999 im Tempelhofer Ortsteil Lichtenrade gegen den SPD-Mann antrat - und den Wahlkreis mit 63,1 Prozent der Stimmen gewann. Wowereit musste mit 25,5 Prozent zufrieden sein. Diesmal werde es enger, befürchtet Zimmer, aber: "Die Union ist fest verwurzelt in diesem Kiez". Am CDU-Infostand hätten ihn Passanten gefragt, wer denn in Lichtenrade für die SPD kandidiere.

Zum Thema Online Spezial: Berlin-Wahl 2001 WahlStreet.de: Die Wahlbörse bei Tagesspiegel Online Umfragen/Prognosen: Wenn in Berlin am Sonntag gewählt würde... Frage des Tages: Die fünf Spitzenkandidaten zu ihren politischen Absichten Foto-Tour: Die Berliner Spitzenkandidaten Video-Streams: Diskussion mit den Spitzenkandidaten So ging es offenbar allen Spitzenkandidaten: Sie hatten für ihren Wahlkreis wenig Zeit. Klaus Wowereit (SPD) kämpfte im tiefsten Süden, Gregor Gysi (PDS) im äußersten Osten und Frank Steffel (CDU) im hohen Norden Berlins. Sibyll Klotz (Grüne) schlug sich in der Stadtmitte durch und Günter Rexrodt (FDP) in der City-West. Auf den Bezirks- oder Landeslisten ihrer Parteien sind alle Fünf ganz vorn platziert, was ihnen ein Parlamentsmandat in jedem Fall sichert. Aber die Wahlkreise, wo es um das Direktmandat geht, sind ein holperiges Feld. Dort triumphieren oft die Lokalmatadore.

So wie der CDU-Mann Zimmer in Lichtenrade, einem beschaulichen Flecken am Südrand der Hauptstadt, kleinbürgerlich geprägt bis in die Knochen. Ein Wahlkreis, in dem Grüne, FDP und PDS Splitterparteien sind. Chancenlos präsentierten sich dort als Direktkandidaten: Denise-Annette Langer-Urso (PDS), Fritz Matschulat (Grüne) und Wolfgang Paulo (FDP). In idyllischer Umgebung wird auch in Marzahn-Hellersdorf, Wahlkreis 5, um die Wähler gekämpft. In den grünen Vorstadtsiedlungen Kaulsdorf und Mahlsdorf. Dort tritt der 26-jährige CDU-Mann Mario Czaja gegen den doppelt so alten, viel prominenteren PDS-Spitzenkandidaten Gregor Gysi an.

Grafik: Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus seit 1981 Vor zwei Jahren holte der liberale, schlagfertige Czaja in diesem Wahlkreis - mit 37,4 Prozent der Erststimmen - eines von zwei CDU-Direktmandaten im Ostteil Berlins. Damals war nicht Gysi der Gegner; der gewann schon 1998 den Bundestags-Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf. Czaja und Gysi sahen sich auch jetzt nur selten. "Der ging den kommunalpolitischen Veranstaltungen aus dem Weg, das haben sogar die PDS-Leute kritisiert", sagt der CDU-Kandidat. Trotzdem muss Czaja um das Direktmandat bangen, denn die Christdemokraten haben in den Ostbezirken zurzeit besonders schlechte Karten. Gysi könnte in Kaulsdorf und Mahlsdorf das Rennen machen. Gewiss nicht der SPD-Kandidat Christoph Huhn, den keiner kennt. Die Bewerber der Grünen und der FDP sind auch unbeschriebene Blätter: Gisela Bilski (Grüne) und Erik Schmidt (FDP).

Währendessen kann sich Frank Steffel, der glücklose Spitzenkandidat der Union, darauf freuen, doch wenigstens den heimatlichen Wahlkreis 6 in Reinickendorf zu erobern. Schon 1999 erzielte er in Frohnau und Hermsdorf, wo sich die Ein- und Zweifamilienhäuser häufen und die Welt für die CDU noch in Ordnung ist, mit 62,3 Prozent der Erststimmen ein traumhaftes Ergebnis. Mit fast 40 Prozent Vorsprung vor der sozialdemokratischen Konkurrenz. Es wäre eine Sensation, sollte der CDU-Politiker ausgerechnet diesen Wahlkreis am Sonntag verlieren. Zumal die Kandidatin der SPD, die ehemalige Grundschullehrerin Gabriele Thieme-Duske, kein Publikumsmagnet ist.

Wenn Steffel das Direktmandat wieder gewinnt, dann nicht wegen starker Präsenz im Wahlkreis. "Ich habe ihn nur alle vierzehn Tage an der S-Bahnbrücke am CDU-Straßenstand gesehen", erzählt die FDP-Direktkandidatin Mieke Senftleben. "Viele örtliche Veranstaltungen hat er abgesagt, sogar eine Diskussionsrunde in seiner ehemaligen Schule". Für die Liberalen läuft der Wahlkampf im Berliner Norden gut. Eine ehemalige Hochburg der Liberalen, seit 1995 geschleift, wird jetzt wieder aufgebaut. Trotzdem haben weder Frau Senftleben noch die Kandidaten der Grünen und der PDS, Oliver Schruoffenegger und Carlos Katins, eine Chance, den Wahlkreis zu gewinnen. Es ist das Schicksal der kleinen Parteien, dass ihnen Direktmandate verwehrt bleiben.

So wird es auch der Spitzenkandidatin der Grünen, Sibyll-Anka Klotz, im Wahlkreis 1 des Bezirks Mitte gehen. Zwischen Alex und Potsdamer Platz muss sie gegen den CDU-Mann Dieter Schulze, die Sozialsenatorin Gabriele Schöttler von der SPD und den PDS-Hochschulexperten Benjamin Hoff bestehen. Alle Vier traten schon 1999 gegeneinander an. Nur die FDP präsentierte mit Johannes Winter einen Neuling. Hoff, 25 Jahre jung, eroberte vor zwei Jahren den Wahlkreis im Herzen Berlins mit 33,8 Prozent, und er hat am Sonntag wieder gute Chancen auf den ersten Platz. "Sibyll Klotz reißt es hier nicht raus", sagt er selbstbewusst. Im Wahlkreis ist sie ihm weder auf Veranstaltungen noch an Straßenständen aufgefallen. "Vielleicht ist sie für die Kommunalpolitik zu wichtig". Hoff rechnet nur damit, dass ihm die SPD in Gestalt von Frau Schöttler auf die Pelle rückt. Wie verlief denn der Wahlkampf in diesem spannenden Stadtquartier? "Unglaublich langweilig!"

In ebenfalls großstädtischer Umgebung, im Wahlkreis 4, Charlottenburg-Wilmersdorf - zwischen Deutscher Oper und Kurfürstendamm - bemühte sich der FDP-Spitzenkandidat Günter Rexrodt um die Wähler. Mit einem Direktmandat kann auch der Landeschef der Liberalen nicht rechnen. In der City-West machte bei der letzten Parlamentswahl der sportpolitische Sprecher der CDU, Axel Rabbach, mit 43,1 Prozent das Rennen. Bei der Wahl am Sonntag hat der SPD-Wahlkreiskandidat Frank Jahnke gute Chancen, der christdemokratischen Konkurrenz eine Nasenspitze voraus zu sein. Für Rexrodt wäre es ein Achtungserfolg, wenn er sich vor der quirligen Kultur-Staatssekretärin Alice Ströber platzieren könnte, die in diesem Wahlkreis wieder für die Grünen kandidiert. "Eine reine Prestigegeschichte", sagt Frau Ströver. Allerdings habe sie Rexrodt im Kudamm-Kiez kein einziges Mal wahlkämpfen sehen. Stattdessen traf die Grünen-Politikerin den SPD-Konkurrenten Jahnke am Infostand und musste ihn trösten. "Der arme Kerl war ganz frustriert, weil ihn keiner kennt."

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