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Berlin: Zustellung unmöglich

Verspätete Briefe, zurückgeschickte oder verschollene Pakete: Viele Berliner ärgern sich über die Post. Tagesspiegel-Autor Peter von Becker schilderte am vergangenen Sonnabend seine Erlebnisse, danach meldeten sich zahlreiche Leser zu Wort. Hier erzählen sie vom Kampf um ihre Sendungen. Doch das Unternehmen sieht keine besonderen Probleme in Berlin, allenfalls Ausnahme- und Einzelfälle

Nach langer Suche hatte Gabriele Goetsche aus Wilmersdorf einen Spiegel gefunden, der genau in ihr neu renoviertes Bad passte. Am 10. Februar hatte sie das Bestellformular im Internet ausgefüllt. Jetzt musste sie nur noch warten – dachte sie. Wie vom Verkäufer versprochen, kam drei Tage später Post, allerdings nur eine E-Mail: die Versandbestätigung. Das Paket mit dem Spiegel war nicht angekommen. Sie forschte nach: Auf der Internetseite der DHL, des Paketdienstleisters der Post, konnte sie den Status der Sendung einsehen. Er zeigte an, Gabriele Goetsche habe sich am Tag zuvor geweigert, die Sendung anzunehmen. „Dabei hatte ich brav zu Hause gesessen und gewartet.“ Einen Paketboten hatte sie nicht zu Gesicht bekommen, es hatte nicht mal geklingelt. Der Beginn einer langen, ärgerlichen Erfahrung mit der DHL.

Gabriele Goetsche ist eine von vielen Lesern, die auf einen Artikel im Tagesspiegel am vergangenen Sonnabend reagierten und ihre Erlebnisse mit der Post schilderten – per Brief, per E-Mail. Die Fälle zeigen: Offenbar ist zuverlässige Brief- und Paketzustellung in Berlin ein Problem.

Gabriele Goetsches Spiegel zum Beispiel war zum Händler zurückgeschickt worden und mittlerweile vergriffen. Sie beschwerte sich zweimal bei der DHL – ohne Ergebnis. Schließlich bestellte sie den Spiegel ein zweites Mal – und wieder fehlte von dem Paket auch nach Tagen jede Spur. Die Wilmersdorferin recherchierte. Diesmal war das Paket nicht zum Absender zurückgeschickt, sondern bei einer „Nachbarin“ abgegeben worden. Nach längerer Suche fand sie heraus, wo ihr Paket abgeblieben war. Die Frau wohnt ganze drei Straßen weiter.

Hans-Ulrich Pönack aus Charlottenburg, fernsehbekannter Filmkritiker, ist von der Post nur noch genervt. Regelmäßig muss er drei bis vier Tage auf seine Briefe warten. Der Journalist ist auf Terminpost angewiesen. „Ein untragbarer Zustand“, sagt er über den Service. Bei Rechnungen, die innerhalb einer gewissen Frist beglichen werden müssen, komme er regelmäßig ins Schwitzen. Pönack hat sich mehrfach bei der Kundenbetreuung der Post beschwert. „Die kommen einem dann mit typischen Routineantwortschreiben.“ Besonders schlecht laufe die Postauslieferung in den Schulferien, sagt Pönack. „Der Briefträger hier ist Familienvater. In den Schulferien geht die Zustellung fast immer schief.“ Ein Bote komme nach mehreren Tagen, oft erst spät nachmittags, und habe dann „einen Eimer voller Post dabei“.

Ein Leser aus Charlottenburg berichtet dem Tagesspiegel per E-Mail, bei ihm kämen nie Pakete an. Er finde immer nur eine Zusteller-Postkarte im Briefkasten mit der Aufforderung, seine Post im nächsten Postamt Otto-Suhr-Allee abzuholen. Kein Klingeln, kein Zustellungsversuch. Einmal sei er sogar zu einem Postamt in Reinickendorf geschickt worden, obwohl auch dieses Paket in der Otto-Suhr-Allee lag. Der Zusteller hatte die falsche Benachrichtigung erwischt. Eine bestellte Büchersendung kam nicht an, sie ging an den Absender zurück. Laut Sendungsverfolgung war der Empfänger der Post „unbekannt“.

Offenbar noch nicht eingelernt war ein Postbote, der die Absenderadresse für die Empfängeradresse hielt. Der verwunderte Leser, der so nach zwei Tagen seine eigenen Briefe wiederbekam, fragte bei der Post nach. Der Kollege sei neu eingestellt, hieß es zur Entschuldigung.

„Bitte noch mal senden“, war die Auskunft der DHL-Hotline an einen anderen Tagesspiegel-Leser, der wissen wollte, wie er an sein Päckchen kommen könne, das als unzustellbar an den Absender zurückgeschickt worden war. Auch beim nächsten Versuch kam die Sendung nicht an. Auf der Internetseite der DHL sah der Leser, der Zusteller habe zweimal niemanden angetroffen. „Lüge – zumindest beim zweiten Versuch war jemand da“, schreibt der Geschädigte in einer E-Mail. Eine Benachrichtigung habe er nicht bekommen. „Dann hat der Zusteller wohl vergessen, den Abholschein einzuwerfen. Das kommt manchmal vor“, sei die Antwort der Service-Hotline gewesen. Das Päckchen finde er bei einer Postfiliale in seiner Nähe. „Bei welcher können wir ihnen nicht sagen, da müssen sie sich durchtelefonieren.“ Bei der nächstgelegenen Poststelle war das Päckchen nicht zu finden. Allerdings waren dort am fraglichen Tag überhaupt keine Sendungen der DHL angekommen. Der Mitarbeiter versprach nachzuforschen. Sechs Tage später konnte der Leser sein Päckchen in Empfang nehmen. Dazu musste er es allerdings selbst bei der Filiale abholen. Seit drei Jahren bekomme er seine Post nur noch unregelmäßig zugestellt, beschwert sich ein Leser aus Mitte per E-Mail. Seit eineinhalb Jahren sei der Zustand so schlimm, dass er sogar nur einmal die Woche Post zugestellt bekomme, meist freitags oder sonnabends und dann alle Briefe der Woche auf einmal. Postweg innerhalb Berlins: sieben Tage. Seine Erfahrung: Häufig gingen Briefe oder Kataloge an den Absender als unzustellbar zurück. Die Post habe ihm auf Anfrage mitgeteilt, das Problem liege nicht beim Briefträger, sondern eher im Zustellzentrum.

Die meisten Post-Geschädigten haben ähnliche Erfahrungen: Briefe kommen zu spät, Pakete oft gar nicht an. Meist sind die Pakete in der nächsten Postfiliale hinterlegt oder bei einem Nachbarn abgegeben worden – manchmal leider, ohne dem eigentlichen Empfänger mitzuteilen, wie er an seine Post kommt. In vielen Fällen gingen die Sendungen an den Absender zurück – trotz korrekter Adresse. Im schlimmsten Fall verschwanden Pakete ganz. Die kostenpflichtige Hotline konnte fast nie helfen. Die Probleme scheinen nicht auf einen bestimmten Bezirk begrenzt, Beschwerden kommen aus allen Teilen Berlins.

Die Post allerdings sieht keinen besonderen Handlungsbedarf. Aus Sicht von Anke Baumann, Sprecherin der Deutschen Post Berlin, handelt es sich um eine Ansammlung von Einzelfällen. „Es stimmt nicht, dass in Berlin die Post zu spät kommt oder gar nicht.“ Fehler passierten natürlich schon. Zudem könne es dann zu Problemen kommen, wenn sich in einem bestimmten Bereich die Krankheitsfälle häuften, wie zum Beispiel im Januar in Charlottenburg. Es werde zwar versucht, solche Fälle abzufangen, nicht immer sei das allerdings möglich. Und: Bei der Personalplanung gälten in Berlin die gleichen Regeln wie in anderen deutschen Städten.

In Einzelfällen, gibt Anke Baumann zu, könne es passieren, dass ein Brieftträger an einem Tag seine Tour nicht schafft. Gerade weil jeder einzelne nicht mehr als zehn Stunden am Tag arbeiten dürfe. Die Kunden, die der Postbote nicht mehr erreicht, muss er dann eigentlich am nächsten Tag zuerst beliefern.

Ein besonderes Problem, sagt die Sprecherin, hätten oft die Paketboten. Im Gegensatz zu den Briefträgern besitzen sie keine Schlüssel zu den Häusern der Adressaten. Briefkästen befinden sich allerdings häufig im Hauseingang. Ist der Empfänger nicht zu Hause, kann er auch nicht per Karte benachrichtigt werden. Das müsse der Briefträger am nächsten Tag erledigen. Anke Baumann räumt ein, es gebe auch Schwarze Schafe unter den Zustellern: „Die meisten arbeiten ordentlich, aber es gibt immer wieder Fälle, in denen geschludert wird.“

Gabriele Goetsche hat vom Paketzusteller DHL genug. Sie möchte juristisch gegen das Unternehmen vorgehen. Doch auch das sei nicht einfach, sagt sie. „Trotz Recherche habe ich noch keine genaue Adresse herausbekommen, an die ich meine Klage richten könnte.“

Florian Ernst

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