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Berlin: Zwangspause für die Bagger

Hat der Zumthor-Entwurf für die Topographie des Terrors wieder Chancen? Bau-Ruine bleibt vorerst stehen – bis das Bundesverfassungsgericht entscheidet

„Die Türme auf dem Gelände der Topographie des Terrors sollen nur noch eine Woche stehen?“ Das will Architekt Bernhard Strecker nicht glauben. Er vermutet, dass die Chancen für das von Peter Zumthor entworfene NS-Dokumentationszentrum gestiegen sind. Er spricht von „Durchbruch“, den sein Schweizer Kollege vor dem Bundesverfassungsgericht erreicht hat: Für den heute vom Senat geplanten Abriss erwirkten Zumthor und sein Anwalt Peter Raue einen Aufschub bis zum 22. November. „Die Bagger fahren rückwärts“, sagt Strecker.

Der Berliner Architekt kämpft seit Monaten dafür, dass der Zumthor-Entwurf auf dem ehemaligen Gestapo-Gelände an der Niederkirchnerstraße in Mitte verwirklicht wird. „Sonst machen wir uns kulturell lächerlich.“ Er initiierte kürzlich in der Akademie der Künste eine Petition gegen den Abriss, die von 200 Architekten unterschrieben worden ist. Strecker weiß prominente Mitstreiter hinter sich, etwa den Regisseur Volker Schlöndorff, auch die weltberühmten Architekten Norman Foster und Renzo Piano, die sich gegen die Abrisspläne aussprachen.

Peter Zumthor sieht seine Urheber- und Persönlichkeitsrechte verletzt, seinen guten Ruf. Das Land Berlin hatte ihm nach langen Querelen um den „komplizierten Entwurf“und wegen möglicher Kostensteigerungen gekündigt. Die Verfassungsbeschwerde soll klären, ob zu Recht. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte mit einem Abriss-Aufschub nicht gerechnet, von „allgemeiner Überraschung“ war gestern die Rede. Die Behörde verweist auf bisherigen Erfolge vorm Land- und vorm Kammergericht. Bevor das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich in dieser Woche entscheide, habe es gebeten, keine vollendeten Abriss-Tatsachen zu schaffen. Die Verwaltung ist zuversichtlich, dass am nächsten Montag endgültig die Bagger auf dem Gelände anrücken dürfen.

Sie sollen beseitigen, was von dem auf 38,9 Millionen Euro begrenzten Bau-Projekt steht: drei Betontürme für die Treppenhäuser. Verbaut wurden, seit Zumthor 1993 als Sieger eines Wettbewerbs hervorging, fast 13 Millionen Euro. Die Türme sind Zeugen einer langen Bauleidensgeschichte, in deren Verlauf Baufirmen Pleite gingen und die geschätzten Kosten um rund das Doppelte stiegen. Es gab Spar-Überarbeitungen, doch Zumthor und die Senatsbauverwaltung kamen nie so recht klar miteinander, im Mai kündigte Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) den Vertrag mit dem Schweizer. Ein neuer Wettbewerb soll in Abstimmung mit dem Bund, der die Hälfte der Kosten trägt, vermutlich im Frühjahr ausgeschrieben werden.

Sollte es dazu kommen, erwartet Strecker „beschämende Klein-Klein-Lösungen“. Andererseits könne das Gelände mit den Türmen bis zur Fertigstellung für kulturelle Inszenierungen genutzt werden. Der Architekt regt privat finanzierte „Patronate“ an. Der prägnante Entwurf von Zumthor sei schon lange international im Bewusstsein verankert, „er gehört zu Berlin“. Der Bau könne sich durchaus im Kostenrahmen bewegen.

Vor 20 Jahren kämpfte Strecker erfolgreich mit der Internationalen Bauausstellung IBA gegen ein Straße auf dem Gelände. Der Senat wollte die Kochstraße bis zur Stresemannstraße verlängern. Die Trasse hätte das alte Gestapo-Gelände, um das heute gestritten wird, völlig zerschnitten.

Christian van Lessen

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