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Im Jahr 1947 feiern Jugendliche die Grundsteinlegung des ersten Berliner Jugendclubs.

© Tsp

"Zwicke" in Neukölln: Berlins ältester Jugendclub wird 70

Pünktlich zum Jubiläum bekommt Berlins ältester Jugendclub "Zwicke" einen neuen Anstrich.

Gut zwei Jahre dauert es, bis Ehrenamtliche genügend Baumaterial zusammengetragen haben. Im Schutt und in den Trümmern der Stadt suchen sie nach Teilen, die sie irgendwie zu einem Haus zusammensetzen können. Viel gibt es ja nicht, so kurz nach dem Krieg. Die Geschichte schreibt das Jahr 1947, als die Freiwilligen den Grundstein für das "Jugendfreizeitzentrum Rudow" legen können. Damit entsteht der erste Jugendclub Berlins.

Fast 70 Jahren sind seitdem vergangen – 70 Jahre, in denen das Zentrum, das mittlerweile den Namen "Zwicke" trägt, Anlaufstelle für Berliner Kinder und Jugendliche war. Pünktlich zum Geburtstag wird der Neuköllner Jugendclub am Zwickauer Damm saniert.

"Jugendliche sollen ihre Zeit nicht in Schrotthäusern verbringen müssen", sagt Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) beim Rundgang auf der Baustelle und betont den "großen Wert" der Einrichtung: "Über Jahrzehnte wurden hier ganze Generationen betreut. Und jetzt schaffen wir ein schönes Umfeld für die nächsten."

Anfangs nutzten Naturfreunde den Club

Kinder und Jugendliche aus der nahe gelegenen Siedlung sowie Mitglieder der Schreberjugend und Naturfreundejugend waren die ersten Nutzer des Clubs. Gartenarbeit und Natur erleben standen damals auf dem Programm. In einer Zeit, in der Nahrungsmittel knapp waren, wollten die jungen Leute selbst pflanzen und ernten. Die Interessen, so viel ist klar, haben sich geändert. Heute, 70 Jahre später, hat die "Zwicke" einen Medienraum, in dem die Jugendlichen Hausaufgaben machen, spielen und im Netz surfen.

Und in all der Zeit dazwischen? "Es gibt Ordner mit alten Berichten und Fotos, in denen wir gerade für unsere Jubiläumsfeier im nächsten Jahr recherchieren", erzählt Tanja Schleef-Ruppert, Leiterin der "Zwicke".

Seit April wurde in der "Zwicke" umgebaut

Was die jungen Menschen über all die Jahre in diesen Räumen bewegt hat, lässt sich allerdings auch ohne Dokumente erahnen: Wahrscheinlich wurde hitzig diskutiert, als plötzlich eine Mauer die Stadt teilte, und 28 Jahre später dann gefeiert, dass sie wieder weg ist. Den Rock ’n’ Roll der 1950er, die Revolte der 1960er und das Hippietum der 1970er haben Jugendliche hier erlebt, haben vielleicht ihre erste "Bravo" im Jugendzentrum gelesen und über die Ratschläge von Dr. Sommer gewitzelt. Ganz sicher haben auch einige die Boybands der 1990er angehimmelt und ihren Freunden irgendwann ganz stolz den ersten Walkman präsentiert, dann den ersten MP3-Player und dann die Innovation schlechthin: ein Handy.

Zeitreise. 70 Jahre liegen zwischen Grundsteinlegung und der jetzigen „Zwicke“.

© Tsp

Wer wissen will, wie die Gesellschaft von morgen aussieht, sollte sich die Jugendlichen von heute genauer ansehen, heißt es. Und genau die gingen über Generationen hinweg genau hier, am Zwickauer Damm 112, ein und aus.

Seit April dieses Jahres ist das Kinder- und Familienzentrum, wie es heute heißt, eine Baustelle. Draußen stehen  Container, in die Möbel, Bauklötze und Bastelkram gepackt wurden. Drinnen hängen lose Kabel von den Decken, ein paar Leitern und Farbeimer stehen herum. Insgesamt 340 Quadratmeter sind es, die bis zum Frühjahr nächsten Jahres saniert und renoviert werden.

Kommendes Frühjahr soll alles fertig sein

"Die Einrichtung war wirklich in einem desolaten Zustand und sehr marode", erklärt Architekt Till Zander, der für die Rundumerneuerung der "Zwicke" verantwortlich ist. Jetzt werde das ganze Haus energetisch saniert und barrierefrei umgebaut. Decken und Wände werden gedämmt, ein neues Heizsystem installiert, Räume umgebaut. Dazu neue Fenster, Einbauschränke und viel Farbe. Alles abgestimmt in enger Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen der Einrichtung. "Das Ganze hat ja auch durchaus einen emotionalen Wert, da war uns das sehr wichtig", sagt Zander. Wenn alles klappt, öffnet das Zentrum im Frühjahr 2017 wieder seine Pforten – mit Billardtisch, Tischtennisplatte, einer Ecke zum Toben und einem Computerraum. Dann hat die junge Generation ihr Haus wieder für sich, kann tanzen, Fußball spielen oder einfach nur ein bisschen herumhängen.

"So eine Bauzeit ist immer auch ein Bruch, gerade in einem Bereich, in dem es auf Beziehungsarbeit ankommt“, sagt Tanja Schleef-Ruppert. Da müsse man erst einmal schauen, wie der Neubeginn läuft.

Die Zwicke ist ein Generationenhaus geworden

In den vergangen Jahren seien jeden Tag um die 50, manchmal sogar bis zu 100 Kinder und Jugendliche in die Neuköllner Einrichtung gekommen, die im Kern für Schulgänger ausgerichtet ist – also etwa Sechs- bis 18-Jährige. Über die Zeit habe sich die Altersgrenze allerdings nach unten wie nach oben verschoben, erzählt Schleef-Rupp. Schulabgänger kämen noch immer zum Fußballspielen vorbei, junge Mütter gemeinsam mit ihren Kleinkindern. Und manchmal, erzählt die Leiterin, gibt es Besucher, die schon vor 70 Jahren hier waren: Frauen, die als junge Mädchen hier gespielt haben und jetzt ihre Enkelkinder vorbeibringen. Schleef-Ruppert freut sich über diesen Jugendclub für alle. "Es ist ein Generationenhaus geworden."

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