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Berlin: Zwischen Antifa-Kreisen in Prenzlauer Berg und dem "Pfefferwerk" schwelt ein Konflikt

Waren es "Nazi-Skins"? Hat ein "Fascho-Überfall" stattgefunden?

Von Frank Jansen

Waren es "Nazi-Skins"? Hat ein "Fascho-Überfall" stattgefunden? In der linken Szene von Prenzlauer Berg ruft eine Gewalttat heftige Reaktionen hervor. Am ersten Februar-Wochenende war ein 27-jähriger Tourist aus Thüringen von zwei Männern geschlagen worden und hatte angeblich auch Stiche in den Hinterkopf abbekommen. In einem Flugblatt, das offenkundig von Mitgliedern der Antifa-Szene verfasst wurde, heißt es unter der Schlagzeile "Schon wieder Nazi-Übergriff im Fehre-Kiez!", das Opfer habe "schwerverletzt überlebt". Fazit: "Seht hin! Greift ein! Bildet Banden!" Anlass der Empörung scheint indes auch ein schwelender Konflikt zwischen Linken und dem Kulturzentrum Pfefferberg zu sein.

In dessen Nähe, an der Ecke Fehrbelliner Straße-Schönhauser Allee, spielte sich in der Nacht zum 6. Februar die Schlägerei ab. Zwei junge Männer, einer war gerade 18 Jahre alt geworden, der andere war bereits 19, pöbelten den Thüringer an einer Imbissbude an. Der 27-Jährige, ein kräftiger Typ, konnte sich zunächst dem Duo entziehen. Dieses beleidigte dann Passanten, traf aber auch wieder auf den Mann aus Thüringen. Nun wurde er mit Faustschlägen traktiert und ein Klappmesser gegen seinen Kopf geschlagen. Stiche gab es nicht. Der Thüringer erlitt eine Nasenprellung und eine leichte Verletzung am Kopf. Nach Behandlung und dreitägiger Beobachtung im Krankenhaus konnte der Mann entlassen werden.

So stellt sich der Tathergang dar, wie ihn Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelt haben. Die Behörden stützen sich auf die Aussagen von Zeugen und Opfer. Außerdem legten die kurz nach der Tat inhaftierten Schläger Geständnisse ab, wenn auch "nicht in vollem Umfang", wie es bei der Staatsanwaltschaft heißt. Das Ermittlungsergebnis lässt nach Ansicht der Behörden keinen Rückschluss auf einen politischen Hintergrund zu.

Die Indizien waren zu dürftig: Ein Schläger trug eine Bomberjacke, im Gespräch mit einem Zeugen eine Stunde nach der Tat soll das Schimpfwort "Zecke" gefallen sein. In der rechten Szene ein Synonym für Linke und Punks. Weiterer Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung gab es offenkundig nicht. In den Biographien der beiden Täter finden sich mehrere Fälle von Körperverletzung, aber kein politisch motiviertes Delikt. Polizei und Staatsanwaltschaft fiel nach der Schlägerei vor allem eines auf: Ein Schläger war alkoholisiert und hatte obendrein eine Droge, vermutlich LSD oder Extasy zu sich genommen. Der zweite Täter war angetrunken.

Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben wegen gefährlicher Körperverletzung. Versuchter Totschlag, wie anfangs erwogen, kam nicht in Frage. Beide Schläger erwartet eine empfindliche Strafe. Zumal bei einem die Bewährungsfrist nach der letzten Verurteilung noch nicht abgelaufen war. Der Mann muss damit rechnen, dass das Gericht die neue Strafe mit der alten kombinieren wird.

An einer lückenlosen Aufklärung des Falls hat auch der Betreiber des Kulturzentrums Pfefferberg, der Pfefferwerk Stadtkultur-Verein, besonderes Interesse. "Wir sind schon öfter von bestimmten Kreisen attackiert worden, uns nicht genug gegen Rechte gewandt zu haben", sagt Wolfgang Barnick, Vorstandsmitglied des Vereins. Er gibt auch zu, in der Vergangenheit sei es "schon zu Fehlern gekommen". In dem Kulturzentrum konnten Bands auftreten, die ein rechtes Publikum anziehen. Im Juni 1998 spielte beispielsweise "Boots & Braces". Die Gruppe versuchte im Konzert, sich von den braunen Fans zu distanzieren. Aber die blieben hartnäckig. Als immer wieder der Hitlergruß entboten wurde, unterbrachen "Boots & Braces" den Auftritt mit der Bemerkung, es müsse der Band niemand zeigen, "wie hoch die Heilkräuter wachsen". Erst nach 20 Minuten wurde das Konzert fortgesetzt.

Barnick betont, die "Security" habe Anweisung, Rechtsextremisten den Einlass zu verwehren, "vor allem bei problematischen Konzerten" mit Punk- oder Ska-Bands. Angesichts der militanten Sprache in dem mutmaßlichen Antifa-Flugblatt befürchtet Barnick jedoch Feindseligkeiten. Nicht ohne Grund. Dass im Pfefferberg "rechte Schläger nicht mehr sonderlich auffallen", sei bekannt, ist in dem erwähnten Flugblatt zu lesen, für das ein "A. Saefkow" mit einer Fantasieadresse verantwortlich zeichnet.

"Immer wieder kommt es im Zusammenhang mit Konzerten zu Gewalttätigkeiten von Nazi-Skins gegen diejenigen, die ihnen nicht ins Bild passen", formuliert "A. Saefkow". Und: "Viele von uns haben keine Lust mehr, sich diesem Terror auszusetzen. Das kann aber nicht heißen, dass wir uns zurückziehen und den Kiez den Rechten überlassen." Der Schlusssatz vor dem Aufruf, Banden zu bilden, wirkt dann wie eine letzte Mahnung: "Das Pfefferwerk muss sich hier endlich eindeutig positionieren!"

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