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Eine weiterer Prunkbau für die Kultur: das Abrahamic Family House.

© Abrahamic Family House

Das Abrahamic Family House: Abu Dhabi verwandelt sich in eine Kunstmetropole

Neben den Dependancen des Louvre und des Guggenheim entsteht ein interkonfessioneller Begegnungsort. Ebenfalls erbaut von einem Stararchitekten.

Von Noemi Smolik

Mit Erstaunen und auch ein wenig Spott wurde in Europa über das Vorhaben berichtet, in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Arabischen Emirate, eine Dependance des Pariser Louvre zu errichten. Mittlerweile steht das von Jean Nouvel entworfene Museum auf einer der Inseln der Stadt.

Es bietet mit seinen zum Wasser hin offenen Räumen unter einer riesigen Kuppel eine ungewöhnliche Raumerfahrung. Die Kunst wird in einem Labyrinth aus Räumen und Blickwinkeln präsentiert. Da in der arabischen Tradition auch Alltagsgegenstände wie Teetassen als Kunst gelten, finden sich in den einzelnen Räumen neben einer frühchristlichen Madonna ebenso mittelalterliche christliche wie islamische Handschriften, kunstvoll gestaltete Kästchen, Schmuck und eben auch jene Teetassen.

Die in europäischen Museen tradierte Unterscheidung zwischen Malerei und Skulptur, überhaupt zwischen hoher Kunst und Kunstgewerbe ist hier aufgehoben. Ebenso gibt es nicht die Trennung zwischen verschiedenen Kulturen und Epochen.

So steht neben der Madonna eine Buddha-Statue aus Japan, eine Gottheit der Azteken und eine aus Indien. Alle vier stammen aus demselben Jahrhundert. Hier erscheint plötzlich die europäische Kunst nur eine von vielen unter den Beiträgen der asiatischen, arabischen, aztekischen, ozeanischen oder afrikanischen Kulturen. Und dazwischen befindet sich „das teuerste Bild der Welt“, der Leonardo da Vinci zugeschriebene „Salvator Mundi“.

Abrahamic Family House, entworfen von David Adjaye.

© Abrahamic Family House

Gleich gegenüber dem Museum baut Frank Gehry das Guggenheim Museum, das alle seine bisherigen Bauten übertreffen soll. Schon sind die Konturen des von Norman Foster entworfenen Zayed National Museums zu sehen, das an ein Segelschiff erinnert.

Dagegen wurde in Europa kaum über ein weiteres noch ungewöhnlicheres Projekt berichtet. 2019 trafen sich auf Einladung der Arabischen Emirate Papst Franziskus und Großimam Atmend Al-Tayeb von Kairo in Abu Dhabi, um ein Dokument der Brüderlichkeit zu unterzeichnen. Es soll einen Dialog eröffnen.

Als erste Tat wurde sofort zwischen den Museen mit dem Bau des Abrahamic Family House begonnen. Das religiöse Zentrum beruft sich auf Abraham, den der jüdischen, christlichen wie islamischen Religion gemeinsamen Vater. Von Palmen umgeben, ist auf einem gemeinsamen Gelände eine Synagoge, eine Kirche und eine Mosche entstanden, in denen seit Anfang März Gottesdienste abgehalten werden.

Gebaut hat das Haus der aus Ghana stammende Architekt David Adjaye. Die drei Gebäude aus weißem Marmor haben alle den gleichen quadratischen Grundriss, die gleiche Höhe. Nur die Außengestaltung der Fassaden und die Ausführung der Inneneinrichtung unterscheiden sich. Die elegant minimalistische Ausführung, die Klarheit der Formen, das Spiel des Lichts bieten ein magisches Erlebnis.

Zwei Wochen nach Eröffnung verkündete der Minister für Kultur und Tourismus unter dem Motto „Public Art for Public“ eine Verwandlung der Stadt in ein Kunstwerk. In den Straßen, Plätzen, Parkanlagen, Hauseingängen und an den Stränden soll Kunst im öffentlichen Raum entstehen. Allerdings ist das schon seit Jahren Praxis in Abu Dhabi. So gestaltete die aus Libanon stammende, kürzlich verstorbene Künstlerin Etel Adnan bereits eine große, farbig bemalte Wand.

Als erstes Kunstwerk des ehrgeizigen Projekts „Public Art for Public“ wurde nun auf dem Dach des Kulturzentrums von Abu Dhabi eine 2D-Installation „Wave“ des südkoreanischen Kollektivs “d’striet“ vorgestellt, welche die Illusion einer dreidimensionalen, auf den Betrachter zulaufenden Welle erzeugt. Sie korrespondiert wunderbar mit dem die Inselstadt umgebenden Meer.

Darüber hinaus sollen im Rahmen von „Public Art for Public“ Hundert internationale Künstler:innen eingeladen, rund fünfzig Künstler- und Künstler:innenresidenzen eingerichtete und Kulturzentren gegründet werden, die sich der Kunstvermittlung und -erziehung vor allem junger Menschen widmen.

Im November 2024 startet dann mit der aus Palästina stammenden Kuratorin Reem Fadda die Public Art Abu Dhabi Biennale. 35 Millionen Dollar stehen für das Projekt zur Verfügung, eine stolze Summe, allerdings bescheiden im Vergleich zu den 450,3 Millionen Dollar, die der saudische Kronprinz für da Vincis „Salvator Mundi“ 2017 bei Christie’s bezahlte.

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