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Schaden Hausaufgaben der Gesellschaft? Das war die These von Linken-Chefin Janine Wissler.

© Imago/Wolterfoto/Jörn Wolter

Nach Forderung von Linken-Chefin: Sind Hausaufgaben schädlich? Das sagen Schul-Experten

Hausaufgaben verstärken die soziale Spaltung – so hatte Linken-Chefin Janine Wissler im Tagesspiegel argumentiert. Nun melden sich Praktiker zu Wort.

Von Hans Monath

| Update:

In der von Linken-Parteichefin Janine Wissler ausgelösten Debatte über die Abschaffung von Hausaufgaben melden sich nun Befürworter dieser pädagogischen Übung aus der Praxis zu Wort. Sowohl die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing, wie auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, warben für die Beibehaltung von Hausaufgaben. Meidinger hatte zuvor schon auf Wissler geantwortet, weitete seine Argumentation nun aber aus.

„Dass Lernen nur im Unterricht stattfindet, ist eine verkürzte Vorstellung“, sagte die Pädagogik-Professorin Lin-Klitzing gegenüber dem Tagesspiegel. Lernen sei „ein ganzheitlicher Vorgang, der Kinder und Jugendliche selbstverständlich auch außerhalb der Schule begleitet“.

Hausaufgaben strukturieren der Philologen-Chefin zufolge den außerunterrichtlichen Teil des Lernens. „Sie helfen gerade den Schülern, die ansonsten außerhalb des Unterrichts wenig Unterstützung erhalten können“, meinte sie.

Hausaufgaben ermöglichten freies und selbstgesteuertes Lernen und eröffneten „die Chance zu hundertprozentiger Schüler-Aktivität“. Hausaufgaben würden zudem helfen, die eigenen Stärken und Schwächen ohne das Hindernis fremder Vorgaben zu entdecken und auszuleben. „Sie besitzen auch eine wichtige Informationsfunktion zur Entdeckung von möglichen Verständnisschwierigkeiten“, fügte sie hinzu.

Schließlich bereiteten sie „auch realitätsnah auf das höhere Maß an Selbstverantwortung und Selbstorganisation vor, das heute und in Zukunft im Beruf gefordert ist“. Schlussfolgerung der Verbands-Chefin: „Gerade wer Kindern aus sozial schwachen oder bildungsfernen Familien helfen will, sollte sich zum Anwalt von Hausaufgaben machen, anstatt populistische Forderungen zu erheben.“

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, wirbt für die Beibehaltung der Haushaufgaben.
Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, wirbt für die Beibehaltung der Haushaufgaben.

© picture alliance/dpa/Armin Weigel

Ähnlich argumentierte Lehrerverbands-Präsident Meidinger. Er schickte dem Tagesspiegel ein klar gegliederte Argumentation, die wir hier dokumentieren:

„1. Es gibt in Deutschland kaum valide wissenschaftliche Untersuchungen zum Effekt von Hausaufgaben. Die immer wieder zitierte Studie der TU Dresden von 2008 ist eine bloße Meinungsbefragung, das heißt Eltern und Schüler würden danach gefragt, was sie glauben, dass Hausaufgaben für eine Wirkung haben.

Hausaufgaben sind eine ganz wichtige Lernkontrolle.

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes

Die wichtigste Metastudie zum Effekt von Hausaufgaben stammt von John Hattie. Der hat Hunderte von Studien dazu ausgewertet. Ergebnis: Wirkung bei jüngeren Kindern ( Grundschule) gering, Wirkung bei älteren Schülern erheblich (0,54), das ist ein starker Effekt. 

Dazu muss man berücksichtigen, dass das vor allem angelsächsische Studien sind, die sich auf eine Ganztagsschule beziehen. Bei einer Halbtagesschule mit weniger Übungszeit in der Schule dürfte der Effekt noch größer sein.

2. Hausaufgaben sind ein Superinstrument, um selbständiges Arbeiten zu üben und zu fördern. Im Unterricht gelten den Reformpädagogen eigenständige Arbeitsphasen und Projekte statt Frontalunterricht als non plus ultra,, Zu Hause sollen sie dann plötzlich unnütz sein. Entscheidend ist, wie pädagogisch, methodisch und didaktisch sinnvoll Hausaufgabenstellungen sind. Nicht behandelten Stoff einfach in die Hausaufgabe zu schieben oder auch bloß zu sagen: Lest das nochmals durch, funktioniert nicht. Wichtig ist eine Verbindung aus Wiederholung und weiterführendem Auftrag. Da machen auch Lehrkräfte mitunter nicht alles richtig.

Sie hatte die Debatte ausgelöst: Janine Wissler, Vorsitzende der Partei Die Linke.
Sie hatte die Debatte ausgelöst: Janine Wissler, Vorsitzende der Partei Die Linke.

© Imago/Christian Spicker

4. Hausaufgaben sind eine ganz wichtige Lernzielkontrolle. Da sieht die Lehrkraft, wie gut sie ihren Stoff vermittelt hat. Deshalb ist es auch falsch, wenn da die Eltern dauernd eingreifen und letztendlich die Verbesserung selbst übernehmen. Dann bekommt der Lehrer keine ehrliche Rückmeldung. Deshalb sollte eine Lehrkraft auch nicht klagen, wenn Hausaufgaben Fehler enthalten, sondern diese als willkommenes Feedback nehmen.

Das nimmt auch Stress von Eltern.

5. Dann fällt auch das Argument mit der sozialen Schere weg. Hausaufgaben sollten so gestaltet sein, dass sie ohne Hilfe der Eltern erledigt werden können. Sie sind sogar ein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit, weil sie den individuellen Förderbedarf anzeigen, worauf die Lehrkraft dann reagieren kann.

6. Was mich deshalb besonders ärgert, ist die Behauptung, man müsse Hausaufgaben abschaffen, weil diese bildungsaffinen Elternhäusern einen Vorteil verschaffe. Mag sein, dass diese Eltern die Bedeutung von zusätzlicher Übung für ihre Kinder besser einschätzen können. Dann geht es aber eher darum, diese Erkenntnis auch allgemein zu transportieren.“

Wissler hatte in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel betont: „Der alltägliche Hausaufgaben-Stress vergiftet das Familienleben, bedeutet Streit, Überforderung, Tränen und schürt Aggressionen.“ Hausaufgaben seien ein „Outsourcing schulischer Aufgaben in die Familien“.

Das vertiefe die Spaltung im Bildungssystem noch, wie das Homeschooling während der Corona-Krise deutlich gezeigt habe. „Wenn man in der Oberstufe die Literatur für den Deutsch-Leistungskurs zu Hause liest, ist das okay, oder dass man für Prüfungen, Referate und Klausuren auch zu Hause lernt. Aber tägliche Hausaufgaben, deren Erfüllung in der Schule kontrolliert wird, müssen abgeschafft werden“, forderte Wissler.

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