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Borneo-Bartschwein.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (13): Das Borneo-Bartschwein

Es nutzt Wachteln als Alarmanlagen, erschießen lässt es sich trotzdem ganz leicht. Und im Zoo will es sich keiner ansehen.

Seltsam urig sieht das Tier aus, mit seinem langen Rüssel, den Winzaugen, dem dichten Büschel weiß-gelblicher Haare mitten im Gesicht. Als käme es aus einer anderen Zeit. Als hätte Sus barbatus barbatu im Laufe der Evolution einfach den richtigen Zeitpunkt verpasst auszusterben.

Besucher stehen heute auch keine vorm Gehege. Hörte man nicht die Stimmen vom nahe gelegenen Kinderspielplatz, man wüsste gar nicht, ob der Zoo schon geschlossen hat. Nein, das Borneo-Bartschwein gehört nicht zu den Publikumsmagneten. Zu Unrecht, denn neben der Steinzeit-Optik fällt es durch einige kuriose Verhaltensweisen auf. Die meisten davon zeigt es allerdings nur in Freiheit. In seiner Heimat auf der Insel Borneo läuft das Bartschwein Affenherden hinterher. Die neigen nämlich, sobald es Nahrung im Überfluss gibt, zu verschwenderischem Lebenswandel. Beißen oben in den Baumwipfeln nur in die besten, süßesten Stellen der Früchte, der Rest wird fallen gelassen und ein paar Stockwerke tiefer dann von den Bartschweinen vertilgt.

Mit einer zweiten Tierart gehen sie auf Borneo sogar eine Symbiose ein: Beim Umpflügen des Urwaldbodens werden sie regelmäßig von Straußenwachteln begleitet, die ihrerseits nach Insekten stochern. Zwischendurch picken die Vögel Zecken aus dem Schweinefell. Und schlagen Alarm, wenn Gefahr droht. Dann ergreifen die Schweine die Flucht. Im Zoo kann man das Zusammenspiel leider nicht beobachten, die Straußenwachteln sind in einer eigenen Voliere untergebracht. Ein wenig fliegen können sie nämlich schon, da wäre zu befürchten, dass sie ihre Verbündeten, die Bartschweine, einfach ihrem Schicksal überlassen.

Derzeit leben bloß noch eine Bache und ein Eber im Berliner Zoo. Ihre Lieblingsbeschäftigungen sind Grunzen, permanentes Ringelschwanzwedeln und Im-Sand-Wühlen mit dem Rüssel. Sich paaren gehört leider nicht dazu, und hier beginnt laut Zoo-Kurator Ragnar Kühne das Dilemma: Die Bache ist inzwischen schon 16 Jahre und damit höchstwahrscheinlich aus dem gebärfähigen Alter raus. Seit Jahren gibt es keinen Nachwuchs mehr, der letzte Wurf wurde von den Erwachsenen einfach komplett aufgefressen, kommt vor. Auch im Rest Europas droht die Zucht zusammenzubrechen: In München zeigen Männchen und Weibchen kein Interesse aneinander, im Londoner Zoo sind die Eber schon vor Jahren kastriert worden. Überhaupt kann die Art nur in wenigen Zoos gehalten werden, weil sie zum Aufwärmen ein Trockenhaus mit mindestens 15 Grad Innentemperatur braucht. Kurator Ragnar Kühne fürchtet, dass „der Bestand an Borneo-Bartschweinen in Europa auf absehbare Zeit erlöschen wird“.

In Borneo gilt das Schwein ebenfalls als gefährdet. Was vor allem an der intensiven Bejagung liegt – und daran, dass die Tiere es den Menschen denkbar einfach machen: Einmal im Jahr rotten sich die verbliebenen Bartschweine zusammen und gehen gemeinsam auf Wanderung. Dabei benutzen sie immer dieselben Pfade durch den Urwald. Die Einheimischen wissen das und müssen bloß warten, bis die Schweine vorbeiziehen. Da helfen dann auch keine Straußenwachteln.

BORNEO-BARTSCHWEIN IM ZOO

Lebenserwartung:  20 Jahre

Exemplare: 2

Interessante Nachbarn: Pinselohrschwein, Weißbartpekari, Visaya-Pustelschwein

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