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„Wir haben uns gefragt, wie wir die Leute nach dem Konsumfieber von Thanksgiving dazu bekommen, sich wieder der Gesellschaft zuzuwenden und etwas von sich zu geben“, sagt Giving-Tuesday-Gründer Henry Timms. Die Bewegung möchte alle dazu einladen, sich gesellschaftlich zu engagieren.

© Getty Images/Maskot

Ein Tag als Symbol: Was steckt hinter dem Giving Tuesday?

Wie der New Yorker Henry Timms 2012 eine Gegenbewegung zum immer stärker konsumorientierten Thanksgiving gründete – und wie sie als Tag des Gebens nach Deutschland kam.

Von Andreas Monning

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Thanksgiving ist in den USA einer der wichtigsten Feiertage des Jahres. Am vierten November-Donnerstag fahren und fliegen Menschen durch das halbe Land, um ihre Familien zu besuchen. Doch Thanksgiving ist heute auch ein riesengroßes Konsumspektakel. Während des langen Wochenendes liefern sich der On- und Offlinehandel eine Rabattschlacht – Stichwort Black Friday und Cyber Monday.

Beschenkt wird zu Thanksgiving vor allem die eigene Familie und der Freundeskreis. Der ursprüngliche Gedanke des Fests, zu dem gemeinnützige Aktivitäten, das Austeilen von Mahlzeiten an Bedürftige und Spenden an wohltätige Organisationen gehören, ist nach und nach verloren gegangen.

Sich der Gesellschaft zuwenden

Während die Geschäftswelt frohlockt, wächst bei einigen, denen die ursprünglich mit Thanksgiving verbundenen Werte wie Dankbarkeit, Geben und Gemeinschaft wichtig sind, das Unwohlsein. Und manchen reicht es schließlich und sie ersinnen Gegenmaßnahmen. Wie der amerikanische Bestseller-Autor Henry Timms, der 2012 zusammen mit seinem Team der New Yorker Kreativschmiede „Belfer Center for Innovation and Social Impact“ eine Gegenbewegung entwickelte und sie Giving Tuesday nannte.

Giving-Tuesday-Gründer Henry Timms.

© Getty Images for Lincoln Center/Dave Kotinsky

„Wir haben uns gefragt, wie wir die Leute nach dem Konsumfieber von Thanksgiving dazu bekommen, sich wieder der Gesellschaft zuzuwenden und etwas von sich zu geben“, erklärt der Gründer. Deshalb betone die Bewegung die gute Tat, die Bedeutung der Gemeinschaft und lade alle dazu ein, sich gesellschaftlich zu engagieren.

Die Idee des Giving Tuesday verbreitet sich nach 2012 rasant, findet dank der sozialen Netzwerke rund um den Globus Anhänger und mit zunehmender Bekanntheit auch eine wachsende Zahl prominenter Unterstützer. Zu ihnen zählen etwa US-Vizepräsidentin Kamala Harris, U2-Sänger Bono oder die Bill und Melinda Gates Stiftung.

Mittlerweile ist der Giving Tuesday in rund 100 Ländern vertreten, darunter Deutschland, wo er auch als Tag des Gebens firmiert. Hierzulande hat sich ein breites Bündnis gebildet, das vom 1300 Mitglieder starken Deutschen Fundraising Verband (DFRV) angeführt wird. Beteiligt ist auch der gemeinnützige Förderverein Thrive International, der in München Projekte in den Bereichen Bildung, Gleichberechtigung und interkulturelles Verständnis realisiert und unterstützt. Dritter im Bunde ist die Maecenata Stiftung, ein unabhängiger Thinktank im Feld Zivilgesellschaft, Bürgerengagement und Philanthropie.

Ein Dach für gesellschaftliches Engagement

Gemeinsam arbeitet das Trio daran, den US-amerikanischen Giving Tuesday in Deutschland weiter zu etablieren. Auch andere Institutionen wie die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt oder das Haus des Engagements unterstützen den Tag mit ihren Kontakten.

„Der Tag des Gebens ist wie ein Dach für gesellschaftliches Engagement“, erklärt Claudia Loewe, Vereinsvorstand von Thrive International und Sprecherin des Giving Tuesday Deutschland. Dazu gehöre ehrenamtliches Engagement ebenso wie Nachbarschaftshilfe, Spenden sammeln für einen guten Zweck oder selbst spenden und stiften. Es gehe um die „Gute Tat“ in jeder Form, so Loewe, und letztlich um nicht weniger als gemeinsam „eine bessere Welt“ zu gestalten, wie es schon Gründer Henry Timms formulierte.

Claudia Loewe, Vereinsvorstand von Thrive International und Sprecherin des Giving Tuesday Deutschland

© visualMAFIA

Da ehrenamtliches Engagement, Nachbarschaftshilfe und Stiften und Spenden in Deutschland gesellschaftlich etabliert sind und institutionell unterstützt werden, sei es vergleichsweise leicht, sich auf diese Weise am Tag des Gebens zu beteiligen, sagt Claudia Loewe.

Welches Thema liegt einem besonders am Herzen?

Bei der Suche nach dem passenden Ehrenamt helfen beispielsweise Ehrenamtsagenturen, die aus großen Datenbanken jedem Interessenten das für ihn passende Angebot herausfiltern. Wer sich in der Nachbarschaftshilfe engagieren möchte, kann sich über Netzwerke wie nebenan.de mit persönlichen Angeboten wie Einkaufshilfe, Kinderbetreuung oder Werkzeugverleih beteiligen. Oder gleich selbst Aktionen ins Leben rufen, etwa zum Saubermachen des eigenen Kiezes. Und wer spenden möchte, überlegt am besten, welches Thema ihm besonders am Herzen liegt. Das können etwa Armutsbekämpfung, Einsatz für Geflüchtete, Klimaschutz oder Tierwohl sein.

Es geht darum, dem Geben selbst, dem gemeinschaftlichen Teilen und Helfen mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung zukommen zulassen.

Tari Çalışkan, Deutscher Fundraising Verband

Spendensammlungen zum Tag des Gebens findet man leicht über den Hashtag #GivingtuesdayDE. Wer eigene Spendensammlungen oder andere wohltätige Projekte starten möchte, kann das zum Beispiel über Plattformen wie betterplace.org, über die Engagement-Plattform auf aktion-mensch.de oder in sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram. Damit die eigene Initiative von anderen gefunden wird, sollte man den Hashtag #GivingtuesdayDE erwähnen.

Da der Tag des Gebens jährlich nur ein konkretes Datum hat – nämlich fünf Tage nach Thanksgiving –, sei er auch als Symbol zu verstehen, sagen die Initiatoren. „Es geht darum, dem Geben selbst, dem gemeinschaftlichen Teilen und Helfen mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung zukommen zulassen“, sagt Tari Çalışkan vom Deutschen Fundraising Verband. Es sollte selbstverständlicher Teil unserer Kultur sein, etwas zu geben, um anderen zu helfen, so Çalışkan. Der Tag des Gebens erinnere daran.

„Wir unterstützen aktiv die internationale Kampagne zum Tag des Gebens“, sagt Martin Georgi, Vorsitzender des Fundraising Verbands, der in diesem Jahr sein dreißigjähriges Jubiläum feiert. Durch die langjährige Erfahrung wisse man sehr gut, wie wichtig es sei, in Deutschland gerade in der Vorweihnachtszeit die Bedeutung des Engagements in der Gesellschaft hervorzuheben. „Aber gute Taten sind natürlich das ganze Jahr gefragt“, sagt Claudia Loewe von Thrive International.

2022 haben sich in Deutschland mehr als 2000 Organisationen aus der Zivilgesellschaft am Tag des Gebens beteiligt. Dabei wurden mehr als zwei Millionen Euro Spenden eingesammelt. Die Organisatoren sind gespannt, wie viel in diesem Jahr zusammenkommt.

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