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Harrods London. „Für mich sind Pink und Weiß eher Sommerfarben. Traditionell arbeitet man Weihnachten mit Rot und Grün. Aber das ermüdet auf Dauer ja auch. Das Spiel mit Proportionen ist sehr beliebt. Das erzeugt so einen ,Alice im Wunderland‘- Effekt, wenn Kleines groß erscheint und umgekehrt.“

© Harrods

Gestalterin Sarah Illenberger: "Berlin ist keine Schaufensterstadt"

In Städten wie New York und Tokio sind die Schaufenster der Einkaufstempel zu Weihnachten eine Attraktion. Sarah Illenberger schaut in die Auslagen.

Frau Illenberger, worauf kommt es bei der Gestaltung von Schaufenstern an?

Die vordergründige Aufgabe ist es, Leuten Lust zu machen, in einen Laden reinzukommen. Darüber hinaus habe ich auch den Anspruch, die Leute aus dem Alltag rauszuhebeln und für kurze Zeit in eine Traumwelt zu versetzen. Oft ist das eine Herausforderung, weil heute alle gestresst vorbeihetzen oder mehr auf ihr Handy gucken statt auf die Straße.

Das war mal anders?

Früher war das Entertainment. Da ist die Familie am Sonntag in Paris flaniert, um sich Schaufenster anzuschauen. In Städten wie New York, in denen das in der Kultur stärker verankert ist, ist das bis heute ein Highlight.

Vielleicht auch, weil die Fenster dort opulenter sind?

Nicht unbedingt. Die Japaner zum Beispiel sind Meister im reduzierten Design. Eines der gelungensten Beispiele war ein Fenster mit einem Video von einem hustenden Model. Davor war ein Seidentuch ausgestellt, das synchron zur Atmung flatterte. Die Chinesen wiederum haben überragende Produktionsmöglichkeiten. In Shanghai gab es 2017 ein Fenster, das war komplett geschnitzt. Das könnte man in Deutschland gar nicht finanzieren.

Wie oft kracht es, wenn künstlerischer Anspruch und kommerzielle Erwartung aufeinanderprallen?

Die ganze Zeit. Die meisten Kunden wollen möglichst viel ausstellen. Allerdings zerstört man ein Fenster, wenn man das zuballert mit Produkten. Als exklusives Haus musst du auswählen.

Arbeiten Sie im Studio anders als im Kaufhaus?

Der Zeitdruck ist größer. Der Aufbau muss meist über Nacht oder an einem Wochenende passieren. Wenn einem dann auffällt, dass eine andere Farbe doch besser wäre, ist es zu spät. Wenn man im Studio arbeitet, passiert mehr aus den Fehlern im Prozess. In England und den USA gibt es außerdem irre Brandschutzbestimmungen. Einmal habe ich in London für Selfridges gearbeitet, da musste ich Hunderte Meter Stoff imprägnieren.

Die ersten großen Schaufenster entstanden um 1780 in Paris. Wie unterscheiden sich die heutigen von denen?
Dieses Jahr haben viele mit Bildschirmen gearbeitet. Die Leute mögen, wenn sich etwas bewegt. Deshalb sind Maschinen auch sehr beliebt, aber das ist super heikel. Es wird heiß, dann ist der Einbau kompliziert, weil die Türen oft so klein sind, dass man nachher gar nicht mehr reinkommt, um was zu richten.

Immer mehr Menschen bestellen online. Was bedeutet das für die Kaufhäuser?

Man gibt sich wieder mehr Mühe. Ein großes Kaufhaus hat eine Verantwortung, wenn es durch seine Schaufenster das Stadtbild prägt. Gleichzeitig sind die sozialen Medien die besten Multiplikatoren. Ein tolles Fenster in Hamburg wird plötzlich global gesehen.

Wo gibt es in Berlin die beeindruckendsten Schaufenster?

Das Quartier 206 war mal sehr schön, aber das hat ja geschlossen. Der Einzelhandel hier ist nicht so berauschend. Berlin ist keine Schaufensterstadt. Es gibt einfach nicht so viele Orte. Und die sind durch die ganzen Ketten sehr monotonisiert, selbst am Ku’damm. München finde ich da spannender. Die haben mehr inhabergeführte Läden in der Innenstadt.

Warum gewähren Supermärkte eigentlich keine Einblicke?

Getränkemärkte haben oft Schaufenster. Auch Apotheken betreiben viel Aufwand, wenn die ihre Viren dreidimensional darstellen oder das Wetter. Lebensmittel verderben halt. Andererseits ist das durch die Architektur hierzulande ja auch nicht vorgesehen. Supermärkte sind bei uns immer geschlossene Kästen mit Logo drauf.

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