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Raus aus dem Heizungskeller. Der selbstheizende Parka von Strellson soll im September in die Läden kommen.

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WEAR IT FESTIVAL: Jacke wie Heizung

Auf dem Wear It Festival in Berlin trafen sich Cyborgs und Nerds, um die Zukunft textiler Technologien zu besprechen. Wie kann Kleidung dem Menschen in Zukunft helfen? Drei Beispiele zeigen schon heute, wie das bald in unserem Alltag aussehen könnte.

Moon Ribas ist ein Cyborg. Unter die Haut ihrer Füße hat die Spanierin Sensoren implantieren lassen, mit deren Hilfe sie Erdbeben am anderen Ende der Welt spürt. „Seit ich ein Cyborg bin, fühle ich mich der Natur näher“, sagt sie. Die Schwingungen, die sie spürt, setzt die Tänzerin in Performances um, bei denen die Erde ihre Choreographin ist. Sie denkt auch weiter: Solche Sensoren könnten zukünftig als Frühwarnsystem dienen. „Tiere flüchten ja auch vor einem Erdbeben, warum also nicht wir?“

In ihrem Labor in Barcelona kreiert Moon Ribas für Menschen zusätzliche Sinne, die in der Natur bereits vorkommen: Das Sehen von ultraviolettem Licht zum Beispiel. Ein Freund kann mit Sensoren in seinen Ohren spüren, welches Wetter kommt. Sie nennt ihn den „Weather Man“.

Das klingt eher nach Science Fiction als nach alltagstauglicher Hilfe durch Technik, findet auch Ben Cooper, Gründer von IOclothes, einer Plattform für Tech und Textilien: „Die Erwartungen, dass neue Technologien in Kleidung unseren Alltag erleichtern, waren zu hoch.“ Er nahm in dieser Woche auf dem „Wear It Festival“ in Berlin an einem Gespräch über Anwendungsreife teil. Bei der zweitägigen Konferenz in der Kulturbrauerei traf sich die Branche, um über die Zukunft von Technologie und Kleidung zu sprechen.

Seit im Jahr 1998 das erste Bluetooth-Headset angekündigt wurde, machte sich die Erwartungshaltung breit, tragbare Technologien würden bald überall in Alltagskleidung integriert werden können. Seither wartete man vergeblich darauf. So wurde Google Glass ungeduldig erwartet und verschwand dann mehr oder weniger sang- und klanglos, 3D-Druck bleibt noch immer hauptsächlich eine Spielart des Kostümbildes, und Virtual Reality verbessert höchstens das Videospielerlebnis von Teenagern. Smart Watches sind zwar in der Mitte der Gesellschaft angekommen, erinnern aber eher an hochgerüstete Schrittzähler mit E-Mail-Postfach als an futuristische Supertechnologien. Für die ersehnte Revolution der Wearables braucht es wohl noch ein wenig mehr Geduld. Aber es gibt ein paar praktische Produkte, die wirklich schon bald unseren Alltag erleichtern könnten. Sie wurden auf dem Festival vorgestellt, und wir tun es hier:

Der wärmende Parka

Er sieht aus wie ein ganz normaler Parka. Den Unterschied wird sein Träger spätestens merken, wenn er an einer zugigen Bushaltestelle steht. Der Daunenparka S.C. Uptownvon Strellson aus wasserdichtem Polyestergewebe reagiert auf die Bedürfnisse des Menschen, der ihn trägt. Wie eine zweite Haut passt er sich den Ansprüchen des Körpers an. Wird es zu kalt, erwärmt sich der Parka auf 37 bis 40 Grad – „Körperwärme Plus“ nennen die Schweizer das. Er verfügt über ein eingenähtes Heizsystem, das in Form eines Kreuzes in Rücken- und Nierennähte eingearbeitet ist und mittels Sensor reguliert wird. Über einen Schalter in der Tasche wird die integrierte Powerbank gesteuert, die nicht nur für zweieinhalb bis fünf Stunden den Mantel warmhält, sondern auch genutzt werden kann, um ein Smartphone zu laden. Ab September 2018 soll es den Parka in Rot und Oliv zu kaufen geben.

Energievampir. Diese Uhr lädt sich am Handgelenk durch die Wärme ihres Trägers auf.

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Perpetuum Mobile

Energie ist schwer zu speichern und wird gleichzeitig an allen Ecken und Enden verschwendet. Kraftwerke pusten Hitze in die Luft, die als Nebenprodukt erzeugt wurde, Klimaanlagen und Kühlschränke, kühlen nach innen, heizen nach außen aber munter von sich hin: Wärmeenergie ist überall. Ein cleveres kalifornisches Start-up macht sich dies zunutze. Wie in der filmischen „Matrix“-Trilogie eindrucksvoll gezeigt wurde, kann man sogar Menschen als Batterien sehen, deren erzeugte Energie geerntet werden kann.

Genau das tut Matrix Industries mit seiner PowerWatch, allerdings deutlich weniger gruselig als auf der Leinwand. Das Unternehmen hat es geschafft, eine Smartwatch zuentwerfen, die nie geladen werden muss. Sie nutzt den Temperaturunterschied zwischen dem Handgelenk und der sie umgebenden Luft zur Energiegewinnung.

2016 sammelten die Gründer von Matrix, Douglas Tham und Akram Boukai, mittels Crowdfunding fast zehnmal mehr Geld ein, als sie für ihr Vorhaben brauchten, die Uhr zur Marktreife zu bringen. Im November letzten Jahres wurden die ersten Uhren ausgeliefert, die tun, was eine Smartwatch tun muss: Schlafqualität messen, Schritte und Kalorien zählen, Benachrichtigungen an die zugehörige App senden und die Zeit anzeigen. Sie kosten 199 Euro und sind bereits erhältlich.

Der Babytragegurt wurde von der Moldawierin Geta Rasciuc entwickelt. Er soll die Vitalfunktionen des Kindes überwachen und für Eltern und Ärzte analysieren.

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Das smarte Babytragetuch

Als ihr erster Sohn sechs Monate alt war, beschloss Geta Rasciuc, die damals noch in einer Werbeagentur in Moldawien arbeitete, dass sie sich mit ergonomischen Babytragetüchern selbständig machen wollte. Seither hat sie drei weitere eigene Kinder im Babytragetuch durch ihre ersten Monate getragen, ist in den Transistorweg in Nijmegen in Holland umgezogen und hat ein Patent angemeldet.

Zuerst ging es ihr mit ihrer Marke Babymoon um modische Designs, mittlerweile sind in ihre Tragetücher Sensoren integriert, die die Vitalfunktionen der Kinder messen und sie an die zugehörige App weiterleiten, Biomonitoring nennt sich das. Die Daten werden in Echtzeit gesammelt und analysiert, sie können den Eltern Tipps geben, was das Baby braucht. Gerade bei Babys, die zu früh auf die Welt kommen – und sollen weltweit immerhin 15 Millionen pro Jahr sein – sind die Risiken, an Hyperthermie, Infektionen und Atemwegsentzündungen zu erkranken, besonders hoch. „Mit Babymoon könnten Frühchen bis zu zwei Wochen früher aus dem Krankenhaus entlassen werden“, sagt Rasciuc und lehnt sich damit ziemlich weit aus dem Fenster. Durch den Hautkontakt mit den Eltern zeigten sie eine bessere Entwicklung, Herz- und Atemrhythmus sowie Körperwärme werden parallel vom Tragetuch überwacht. Die Babytragetücher können bereits vorbestellt werden und sollen ab 2019 ausgeliefert werden.

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