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Ein Plakat vor einem Geschäft in Köln macht auf Rabatte am Black Friday aufmerksam.

© dpa/Oliver Berg

Kritik am Black Friday: Lasst die Schnäppchenjäger in Ruhe!

Viele betrachten den Kaufrausch während der Rabatttage als Ausdruck individueller Dekadenz. Doch nicht die Kunden sind das Problem, sondern die systemischen Missstände unseres Wirtschaftens.

Ein Kommentar von Hannes Soltau

Wieder mal ist die Kritik an den Rabatttagen rund um den „Black Friday“ groß. Die Deutsche Umwelthilfe forderte unlängst ein Ende der aus den USA importierten Angebotsschlacht, die im Einzelhandel traditionell das Vorweihnachtsgeschäft einläutet. Verbraucher sollten sich dem Treiben verweigern, da es unnötig Ressourcen vergeude und klimaschädliche Folgen habe. Sogar die Commerzbank fragt in einer Kampagne: „Ist die Schnäppchenjagd noch zeitgemäß?“

Seit Jahren gibt es als Gegenbewegung zum Black Friday den konsumkritischen „Kauf-Nix-Tag“, der dieses Jahr am 25. November stattfindet und zum freiwilligen Konsumverzicht für 24 Stunden aufruft. Doch wer bei der Frage des Überkonsums bei der Verantwortung der Einzelnen stehenbleibt, wird die Welt kaum verändern. 

Ökostrom, Bioprodukte, Fairtrade-Kaffee und Elektroautos gehören im linksliberalen bis grün-bürgerlichen Milieu zum Lebensgefühl. Nachhaltiger Konsum funktioniert aber nur, wenn man sich das leisten kann. Für das Fünftel der deutschen Bevölkerung, das laut Statistischem Bundesamt von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist, sind Aktionstage wie der „Black Friday“ vielleicht sogar die einzige Chance, eine neue Waschmaschine zu kaufen.

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Die Macht der Produktionsverhältnisse

Trotzdem herrscht in Teilen von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft noch immer die Vorstellung, dass sich Klimakrise und Ausbeutungsverhältnisse abschaffen ließen, wenn nur die Verbraucher ihr Kaufverhalten ändern würden. Der Kassenbon als Stimmzettel für eine bessere Welt? So wird gesellschaftliche Verantwortung privatisiert und entpolitisiert.

Wer bei der Frage des Überkonsums bei der Verantwortung der Einzelnen stehenbleibt, wird die Welt kaum verändern.

Hannes Soltau, Redakteur im Ressort Gesellschaft

Zudem vergisst man die vor allem von Profitinteressen geleitete Macht der Produktionsverhältnisse. Dass unsere Konsumwünsche nicht wie Hunger und Durst intrinsische Bedürfnisse sind, analysierte schon der Philosoph Herbert Marcuse. In der kapitalistischen Überflussgesellschaft, kritisierte er, arbeiten Menschen nicht mehr für ein gutes und gemeinschaftliches Leben, sondern um immerfort neue Waren zu produzieren, für die wiederum künstliche Bedürfnisse erzeugt werden müssen. Heraus kommt eine Gemeinschaft, die ihr Wohlbefinden an Konsumklima, Kauflaune und Verbraucherstimmung bemisst.

Der Überkonsum in diesen Tagen ist folglich ein Symptom und nicht die Ursache des Problems. Was bedeutet, dass es politische Antworten braucht, wie wir unsere Ökonomie nachhaltiger gestalten können. Darum ist es vollkommen unangebracht, denjenigen, die am „Black Friday“ dem Konsum frönen, Vorwürfe zu machen. Die Schnäppchenjäger können keine Antwort auf systemische Missstände geben. Denn der Kunde ist eben kein König, sondern der Untertan der wirtschaftlichen Verhältnisse.

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